INTERVIEW: Tamino

Ein junger Mann aus Belgien macht auf sich aufmerksam: Tamino hat gerade seine erste EP „Habibi“ veröffentlicht. Wir haben uns mit ihm nach seinem Auftritt beim Maifeld Derby in Mannheim unterhalten.

Tamino

Im Interview mit bleistiftrocker.de spricht der 21-jährige Tamino unter anderem über sein kommendes Album, Social Media und die Zusammenarbeit mit Colin Greenwood von Radiohead.

 

bleistiftrocker.de: Du hattest heute beim Festival einen der undankbarsten Spots überhaupt – du musstest während eines deutschen WM-Spiels auf die Bühne. Hast du den Auftritt trotzdem genießen können?

Tamino: Ja, das habe ich. Ich habe gehört, dass Deutschland das Spiel verloren hat, also habe ich gewissermaßen gewonnen. (lacht)

Interessierst du dich für Fußball?

Nur, wenn mein Land Belgien spielt.

Magst du Festivals?

Ich spiele gerne auf Festivals. Als Zuschauer gehe ich aber nicht mehr hin.

Wieso?

Ich mag diese großen Menschengruppen nicht, ‚Okay, lass uns zur nächsten Band gehen!‘, und dann rennt man da rum wie Zombies. Als Teenager mochte ich das, aber inzwischen stehe ich lieber auf der Bühne. Ich fühle auch nicht mehr das Verlangen, auf viele Konzerte zu gehen. Es sei denn, es spielt jemand, den ich sehr verehre.

Wen verehrst du denn zum Beispiel?

Auf jeden Fall hängengeblieben ist bei mir Nick Cave in Antwerpen vor 15.000 Menschen. Ich stand ganz vorne, das war eine tolle Show. Das war im vergangenen November.

Ist er auch eine Inspiration für dich?

Das ist er auf jeden Fall. Ich mag seine Musik, aber ich würde sagen, dass ich ihm vor allem gerne beim Reden zuhöre. Ich schaue mir viele Interviews mit ihm an und habe auch seine Bücher gelesen und seine Filme gesehen. Für ihn ist die Kunst ein Nine-to-Five-Job, diese Routine hätte ich gerne auch.

Vor kurzem ist deine erste EP erschienen. Dein Debüt, richtig?

Ja, mein internationales Debüt.

Heute hast du allerdings deutlich mehr als vier Songs live gespielt.

Das ist immer die lustige Illusion, wenn ein Künstler Songs veröffentlicht, dass es die einzigen sind, die er je geschrieben hat. Das ist natürlich nicht der Fall. Ich glaube, ich habe bisher schon mehr als 100 geschrieben. Es wäre ja aber verrückt, sie alle zu veröffentlichen. Also bringst du nur die raus, die gut zusammenpassen oder dir selbst viel bedeuten.

Gibt es schon Pläne für ein komplettes Album?

Ja, das ist sogar schon so gut wie fertig. Die Veröffentlichung ist aber natürlich noch mal etwas anderes, das passiert dann wahrscheinlich nach dem Sommer.

Sind Alben denn noch relevant für dich? Es gibt ja inzwischen auch Künstler, die einfach nur noch Singles veröffentlichen.

Ich mag Alben. Ein Album ist ein Kunstwerk, das man abliefert und es ist das größte Statement, das man abgeben kann. Das schafft ein Song nicht.

Bist du dann auch jemand, dem die Haptik wichtig ist, von einer Vinyl beispielsweise?

Vinyls mag ich gerne. Streaming ist aber auch okay – solange man es sich auch komplett anhört. Wenn ich Musik höre, dann setze ich mich damit hin und höre ein Album komplett durch. Dann bekomme ich die ganze Essenz von dem mit, was der Künstler sagen wollte. Ich mag es noch lieber, wenn ich dabei die Texte vor mir habe und sie für mich selbst interpretieren kann. Ich höre Musik fast nie nur im Hintergrund. Es ist für mich absolut okay, wenn es mal still ist. Viele Menschen fürchten sich vor der Stille, ich bin aber nicht so.

Wie oft hast du Zeit dafür, dich in Ruhe mit einem Album hinzusetzen?

Gerade jetzt wenn dann meistens im Tourbus. Da höre ich meistens auf meinem Handy mit Kopfhörern. Ich habe auch nichts gegen die Musik, die unser Fahrer hört – Rockmusik aus den Achtzigern. Ich möchte mir aber lieber ein Gesamtwerk anhören.

Social Media hat in unserer Zeit einen großen Stellenwert, die Zahlen dort entscheiden manchmal sogar, welche Gigs man spielen darf. Wie ist das bei dir, magst du es?

Es hat sich im Vergleich zur Vergangenheit nicht viel geändert, finde ich. Selbst in den Sechzigern haben sie nur danach geschaut, wie viele Platten man verkauft hat. Der Unterschied ist, dass es jetzt jeder sehen kann und nicht nur die Plattenfirmen, sondern auch die Fans. Es ist seltsam, aber es kann dir auch helfen, wenn du erfolgreich bist. Ich weiß aber nicht, ob es wirklich ein Indikator für eine loyale Fanschar ist. Ich kenne Leute, die haben viele Streams, aber niemand kommt zu ihren Konzerten. Bei mir sind die Streams okay, aber alle Konzerte, die ich spiele, sind ausverkauft. Das ist das bessere Zeichen.

Hast du auch schon Clubkonzerte in Deutschland gespielt?

Ja, das waren die einzige, die nicht ausverkauft waren. (lacht) Wir müssen hier einfach noch ein bisschen häufiger spielen. Und wenn das Album rauskommt, wird uns das auch helfen.

Eine klassische Interviewfrage: Wie schreibst du deine Songs?

Das kommt immer auf die Situation an. Ich habe aber eine Regel: Ich muss den Song nur mit einer Gitarre spielen können und man muss dabei noch immer die Essenz raushören können, das ist mir wichtig. Ich bin kein Typ, der die Produktion voranstellt und dann versucht, daraus einen Song zu machen. Der Song geht immer vor. Das ist ein großer Unterschied. Manche Künstler, die ich sehr mag, machen es umgekehrt, James Blake zum Beispiel. Ich bezweifle aber, dass man jeden seiner Songs am Klavier spielen könnte und sie dann noch genauso beeindruckend wären.

Du setzt dich also mit der Gitarre hin, um einen Song zu schreiben?

Nicht immer. Ein Song kann auch aus einem Sound entstehen. Ein Beat, irgendein Synthie-Sound. Aber nach diesem ersten Funken versuche ich, so schnell wie möglich einen Song daraus zu machen.

Du hast Wurzeln in Ägypten und im Libanon. Beeinflusst das deine Musik?

Ich denke schon. Jede Musik, die ich mag oder nicht mag, inspiriert mich. Ich bin mit viel arabischer Musik aufgewachsen, es ist also logisch, dass ich mich dazu hingezogen fühle. Und es ist ganz natürlich, es kommt einfach, wenn ich Songs schreibe.

Du hast auch schon mit Colin Greenwood von Radiohead zusammengearbeitet. Wie kam es dazu?

Ich habe ihn vor etwa einem Jahr getroffen, er kam zu einem meiner Konzerte. Er ist ein sehr netter Typ und richtig guter Musiker. Ich habe ihn einfach gefragt, ob er etwas mit mir machen möchte.

Und er hat sofort ja gesagt?

Er hat sogar danke gesagt. Er ist wunderbar.

War es nur ein Projekt oder arbeitet ihr weiterhin zusammen?

Er hat auch auf zwei anderen Songs mitgespielt auf dem Album, das wir bald veröffentlichen werden. Sonst ist gerade nichts geplant. Aber ich bin mir sicher, dass ich ihn wieder anrufen darf, wenn ich glaube, er könnte der perfekte Typ sein, um auf einem meiner Songs zu spielen.

 

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Foto: Ramy Moharam Fouad