Am Freitag bestimmt Deutschland seinen Act für den Eurovision Song Contest 2022. Wir haben vorab mit der deutschen Head Of Delegation Alexandra Wolfslast gesprochen.
Alexandra Wolfslast vom NDR spricht im Interview mit bleistiftrocker.de unter anderem über eine Unterhaltungsshow wie „Germany 12 Points“ in Zeiten von Krieg in Europa, die Aufregung rund um Eskimo Callboy und die Promo-Pläne mit dem deutschen ESC-Act.
bleistiftrocker.de: Welche Aufgabe hat eine Head Of Delegation genau?
Alexandra Wolfslast: Ich bin zuallererst das Bindeglied zwischen der Delegation, also unserem Music-Act, dem NDR Team, der Inszenierungscrew und der EBU. Es gibt für jedes Land einen Head Of Delegation, damit die Veranstalter des ESC einen Hauptansprechpartner für alle Belange haben. Innerhalb dieser Aufgabe ist man auch ein bisschen die „Team-Mutti“, die sich um alles kümmert, gerade auch, wenn es zum ESC vor Ort geht. Also unserem Künstler den Rücken stärken und ihn betreuen.
Der NDR hat vermeldet, dass der Vorentscheid „Germany 12 Points“ am Freitag im Zeichen der Solidarität mit der Ukraine stehen wird. Wie schwierig ist es, in Zeiten wie diesen eine Unterhaltungsshow auf die Beine zu stellen?
Das ist ein Spagat. Der Krieg macht uns alle wahnsinnig betroffen. Auf der anderen Seite ist der ESC ein Musikwettbewerb, der Nationen vereint. Das ist das, was wir jetzt wollen: den ESC zu würdigen und den Acts die richtige Bühne zu geben, aber trotzdem das alles in den Kontext, den wir gerade erleben, einzuordnen. Das ist nicht einfach.
Wie kam es dazu, dass der Vorentscheid nun doch auch im Ersten übertragen wird? Das war ja ursprünglich nicht geplant …
Da bin ich ehrlich gesagt nicht die richtige Ansprechpartnerin. Aber ich gehe davon aus, dass die ARD mit all ihren Programmen die Solidarität mit der Ukraine unterstützen möchte.
Wird Jendrik ein Teil der Vorentscheidsshow sein?
Nein, das ließ sich nicht einrichten.
Warum nicht? In vielen anderen Ländern ist es üblich, dass der Vorjahresact sozusagen den Staffelstab weitergibt, ganz egal, wie gut oder schlecht er abgeschnitten hat.
Jendrik ist immer ein Teil von uns. Er war beim Junior ESC eingebunden und wir hatten ihn aktuell als Spokesperson für den finnischen Vorentscheid benannt. Ich finde es sehr wichtig, dass man auch Künstlerinnen und Künstler, die nicht super abgeschnitten haben, weiterhin fördert, berücksichtigt und sie auf gar keinen Fall vergisst. Das werde ich mit Jendrik definitiv nicht tun.
Mein Kollege Sascha vom Podcast ESC Greenroom hatte neulich mal nachgeschaut und herausgefunden, dass die ARD-Popwellen die sechs Songs des Vorentscheids sehr unterschiedlich oft spielen – obwohl das ja anders kommuniziert war. Wird das im Nachhinein noch mal besprochen?
Na klar wird das evaluiert. Es gab eine Absprache mit den Popwellen, dass sie diese Songs unterstützen – aber nicht nach dem Motto ‚Du musst den jetzt so und so oft spielen!‘. Ich weiß, dass sich die Kollegen verabredet haben, alle sechs Titel einmal am Tag zu spielen. Aber ob das klappt, hängt auch mit der aktuellen Lage zusammen – da schlägt Aktualität immer die ursprüngliche Planung. Grundsätzlich muss man aber sagen – und ich gucke mir ja die Airplay-Charts an -, dass es enorm ist, was die Radio-Popwellen der ARD machen. Die sechs Acts innerhalb einer Woche in die Top 70 zu bekommen, das schafft man normalerweise nicht mit einem Newcomer.
In den vergangenen Jahren wurde immer wieder viel umgeschmissen, wenn es darum ging, den deutschen ESC-Act zu suchen. Besteht die Möglichkeit, dass das Konzept mit dem Vorentscheid, vielleicht sogar auch dauerhaft unter dem Namen „Germany 12 Points“, etabliert wird?
Das ist eine Frage, die wir jetzt noch nicht beantworten können, sondern erst nach dem 14. Mai..
Wäre es denn denkbar, dem Publikum eine größere Auswahl zu geben, beispielsweise mit den 26 Acts, die sich beim Casting in Berlin vorgestellt haben?
Auch darüber werden wir diskutieren. Wie man das machen könnte – ob zwei Vorentscheide, ein Online-Voting vorher oder wie auch immer – das alles werden wir anschauen. Auch auch das wird nach dem 14. Mai gemacht.
Um die Nicht-Nominierung von Eskimo Callboy gab es ziemlichen Aufruhr. Was nimmt der NDR aus dieser Sache mit?
Das kann ich auch nur für mich persönlich beantworten. Was ich auf jeden Fall mitnehme, ist der Wunsch nach einer größeren Diversität im Genre – grundsätzlich, jetzt mal unabhängig von den Callboys. Und: Wenn eine Band schon vorher eine hohe Publicity hat und sich für den ESC-Vorentscheid bewirbt, kann das schwierig werden im Vergleich zu einem etwas unbekannteren Künstler. Mein Wunsch wäre, dass man – vorausgesetzt, es bleibt bei dem Verfahren – die Künstlerinnen und Künstler erst in der letzten Auswahlrunde öffentlich macht. Damit auch einfach alle die gleichen Chancen haben.
Welche nationale und internationale Promo ist denn mit dem deutschen ESC-Act in diesem Jahr geplant?
Das besprechen wir nach dem 04. März. Es hängt natürlich individuell von den Künstlern und ihren eigenen Terminplänen ab. Ich möchte ihn, sie oder die Band mindestens auf eine internationale Pre-Party schicken. Es gibt einige deutsche Fernsehshows, in denen der Act auftreten kann. Und wir werden die Sozialen Medien nutzen. Und dann feilen wir noch an der Inszenierung und am Auftritt. Da passiert also viel in relativer kurzer Zeit.
Gibt es schon eine Zielvorgabe für Deutschland beim Eurovision Song Contest 2022?
Das Ziel, das über allem steht, ist natürlich zu gewinnen. Mein Fokus wird ab Freitag darauf liegen, die bestmögliche Inszenierung zu planen, damit der Auftritt top ist. Und dann mache ich mir vielleicht mal Gedanken über die Platzierung, aber so weit bin ich noch nicht.
Hinweis: Die Show „Germany 12 Points“ beginnt am Freitag (04. März) erst um 21 Uhr und nicht wie zunächst geplant um 20.15 Uhr. Er ist in der ARD sowie in allen dritten Programmen und natürlich online auf eurovision.de zu sehen. Die sechs Songs, die zur Auswahl stehen, gibt es hier zu hören.
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Foto: eurovision.tv