Muff Potter: „Wir hatten einfach wahnsinniges Glück“

Muff Potter sind zurück – samt Comeback-Album, das am Freitag erscheint. Wir haben die Band zu „Bei aller Liebe“ befragt.

Muff Potter

Im Mail-Interview mit bleistiftrocker.de sprechen Drummer Brami und Gitarrist Felix unter anderem über die ersten Gehversuche nach der Bandpause, die gemeinsamen Sessions und die Vorab-Singles.

 

bleistiftrocker.de: „Bei aller Liebe“ ist normalerweise die Einleitung eines Satzes. Wie würde dieser im Album-Kontext denn weitergehen?

Felix: „Bei aller Liebe, nein.“

Brami, wir war das, als Thorsten 2018 auf euch zukam, um wieder gemeinsam Musik zu machen?

Brami: Ich fand das natürlich super und hab ganz rote Ohren gekriegt. Obwohl es zunächst ja nur um die musikalische Untermalung der „Abfall der Herzen“-Buchpremiere ging. Aber ich hatte zu dem Zeitpunkt eben seit mehreren Jahren überhaupt keine Musik gemacht und war da schon ziemlich aufgeregt. Dass dann jeder für sich im Kopf schon weitergesponnen hat, was eventuell darauf folgen könnte, ist natürlich klar.

Wie sind die ersten gemeinsamen Songs nach der langen Bandpause entstanden?

Brami: Eigentlich wie immer. Wir haben uns zu einer mehrtägigen Probe getroffen, um mal zu testen, ob das noch funktioniert mit der gemeinsamen kreativen Arbeit. Nach dieser ersten Session hatten wir 6 Songs. Die waren zwar noch nicht komplett fertig und sind auch nur teilweise auf dem Album gelandet, aber für uns war das ein wirklich vielversprechender Beginn, der uns zum Weitermachen motiviert hat.

Felix, wie ist es zu deinem Einstieg in die Band gekommen?

Felix: Ich war zu einem frühen Zeitpunkt in der Album-Entwicklungsphase gefragt worden, ob ich als fünfte Person an der Umsetzung beteiligt sein möchte und bin dann im weiteren Prozess ganz in die Band gerutscht.

Wie hat die Corona-Pandemie die Entstehung des Albums beeinflusst?

Brami: Was die Pandemie angeht, hatten wir einfach wahnsinniges Glück, dass wir die Reunion-Tour schon 2019 gespielt hatten. Für 2020 hatten wir ohnehin im Grunde keine Auftritte geplant, weil wir ja proben und neue Songs schreiben wollten. Das ging dann auch, weil berufliche Zusammenkünfte ja erlaubt waren. Insofern haben wir einfach sauviel Glück gehabt, was unsere Planung angeht.

Wie liefen die Tage im Kulturgut Haus Nottbeck während der Sessions ab?

Brami: Das war eigentlich relativ ungeplant, abgesehen davon, dass wir immer um 9h gemeinsam gefrühstückt haben, um einen gemeinsamen Start zu haben. Den Rest des Tagesablaufs haben wir eigentlich davon abhängig gemacht, wie es mit der Musik so läuft. Wenn man gerade dabei ist, einem superguten Song den letzten Schliff zu verpassen, lässt man ja nicht plötzlich alles fallen, weil das Mittagessen fertig ist. Dabei fällt mir ein, das es gar kein Mittagessen gab. Meist haben wir uns mit irgendwelchen Snacks über den Tag gerettet, und abends wurde dann ausgiebiger gekocht. Dabei haben wir uns abgewechselt. Das war wirklich schön und in den meisten Fällen auch genießbar. Anschließend wurde weitergeprobt, oder zusammen beim Bier der ein oder andere Film geschaut. Meist Musikdokus, Stevie Wonder, Nick Cave, Pixies usw. Das hat uns dann auch öfters dazu animiert, sehr spät am Abend nochmal an die Instrumente zu gehen, gerne mal bis in die frühen Morgenstunden.

Durch die Nähe zur Tönnies-Fabrik ist der eindrucksvolle Song „Nottbeck City Limits“ entstanden. Wie seid ihr an das Thema, das für Popmusik natürlich sehr schwer ist, herangegangen?

Brami: Zuerst gab es ja nur die Musik. Das Stück war strukturell zwar schon fertig, aber vor allem die Längen der einzelnen Parts waren noch anders als jetzt, weil Nagel behelfsweise ein Gedicht von Rolf Dieter Brinkmann drübergesprochen hat. Während der Entstehung des Songs gab es dann diesen großen Corona-Ausbruch bei Tönnies. Das war ja nur ein paar Kilometer von dort weg, wo wir uns gerade ein paar nette Tage mit Musik machten. Diese Diskrepanz zwischen diesen beiden Welten wird im Song dann ja auch thematisiert, und auch die Entstehung des Songs selbst ist ja im Text enthalten. Nagel hat dann begonnen, wirklich intensiv zu recherchieren, was da genau abgeht in der Fleischfabrik. Denn gerade bei einem Text wie diesem wäre es natürlich fatal, sich inhaltliche oder sachliche Fehler zu erlauben.

Im April 2020 haben wir ein Interview mit Thorsten geführt, da hat er die Frage nach einem neuen Album noch beiseite geschoben. Hand aufs Herz: Wann genau wurde euch selbst klar, dass ihr ein neues Album aufnehmen werdet?

Brami: Im Hinterkopf hatte das natürlich jeder von uns. Die ganze Zeit. Wir wussten allerdings lange Zeit selbst nicht, ob wir das wirklich machen sollten. Wir haben 2019 ja auch nicht ohne Grund keine Interviews gegeben. Eben, um nicht ständig mit dieser Frage konfrontiert zu werden. Den genauen Zeitpunkt weiß ich nicht mehr, aber ich vermute, dass wir ab der 2. Jahreshälfte 2020 wirklich begonnen haben, konkret über ein Album zu sprechen. Und auch dann waren viele Details noch lange in der Schwebe, z.B. ob man mit einem Label zusammenarbeitet oder es wieder selbst veröffentlicht. Auch den Studiotermin haben wir erst im Frühjahr 2021 festgezurrt, also ziemlich kurzfristig.

Außerdem hatte ich nach den Unterschieden zu den „alten“ Muff Potter gefragt und die Antwort war „Wir sind gut 10 Jahre älter geworden und wissen noch nicht, was wir davon halten sollen“. Wisst ihr es inzwischen?

Felix: Als Quereinsteiger, der die Band zuerst lange von außen oder vom Rand aus betrachtet hat, glaube ich sagen zu können, dass die einzelnen Bandmitglieder sich in den erwähnten 10 Jahren musikalisch weiterentwickelt haben und ein gewisser Sound in die Band getreten ist, der natürlich durchaus nach wie vor „Muff Potter“ ist, aber eben mit Spuren dessen, was in der Zwischenzeit an Musik ausprobiert, gemacht, entdeckt und gehört wurde.

Von zehn Album-Songs habt ihr fünf vorab veröffentlicht. Wie habt ihr sie ausgewählt und wie wichtig sind Singles heute im Vergleich zu früher?

Felix: Als Musikhörer stammen wir alle aus einer Generation, die Alben hört und die die Magie liebt, die das Auflegen und Durchhören eines neuen, noch unbekannten Albums mit sich bringt. Fünf Singles vorab zu veröffentlichen, war sicherlich für die meisten von uns gewöhnungsbedürftig, aber wir haben uns dieser Vorgehensweise, die heutzutage ja Usus ist, gestellt, mit dem Ziel, die Menschen plausibel an dieses neue Album heranzuführen. Und nicht nur darauf zu vertrauen, dass Songs, die eher im vertrauten Muff Potter-Gewand daherkommen, im Vorfeld herausgestellt werden, sondern auch mal ein sperriges Stück Musik.

 

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Foto: Bastian Bochinski

 

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