Hellendoorn, 17. Mai 2012: Die Hinweisschilder im niederländischen Ort etwa 50 Kilometer hinter der deutschen Grenze führen bis in den tiefen Wald. Doch statt dem befürchteten Ende der Zivilisation erwartet den Besucher dort ein schickes Festivalgelände: das Dauwpop 2012.
Die beiden großen Bühnen sind jeweils in pinken Zelten untergebracht, zudem gibt es mehrere kleinere Partyecken. Dazwischen kann man sich in der Vielfalt an Verpflegungs- und Markständen verlieren und wird auch schon mal fast von einem als Känguru verkleideten Animateur über den Haufen gehüpft.
Musikalisch geht es bereits von 11 Uhr an rund. Selbst auf die kurzfristige Absage der Minutes konnte der Veranstalter noch reagieren und mit Drive Like Maria eine weitere holländische Rockband verpflichten. Schon zur Mittagszeit haben sich bei ihrem Auftritt viele Zuhörer versammelt.
Im größeren der beiden Zelte heizt derweil Rapper Gers Pardoel mit seinem für deutsche Ohren gewöhnungsbedürftigem niederländischen Hip Hop kräftig ein und hat dabei vor allem die jungen Zuschauerinnen für sich eingenommen, denen danach ein seliges Lächeln ins Gesicht geschrieben steht.
Der krasse Gegensatz dazu sind Bettie Serveert, die als Indie-Pioniere vorgestellt werden. Wirklich taufrisch sieht die Band nicht mehr aus – kein Wunder, denn sie ist, wenn auch in verschiedenen Besetzungen, seit über 20 Jahren im Geschäft.
Kurz darauf schicken sich Moss an, das kleinere der beiden Zelte zu erobern. Mit ihrem verträumten, teilweise aber auch sehr verkopftem Rock kommen sie bei ihren Landsleuten gut an.
Auf der großen Bühne räumt in dieser Zeit Ilse DeLange, in Holland mit ihrem frischen Pop ein großer Star, so richtig ab. Die 35-Jährige sprüht nur so vor Energie und schafft es, das Zelt schnell zu füllen. Dabei überzeugt sie mit ihren Balladen und radiotauglichen Songs genauso wie mit zaghaften Reggae-Einlagen im Song „Livin‘ On Love“.
Weiter geht es mit Sivert Höyem und jeder Menge technischer Probleme. Außerdem ist die Band nach einer mehrmonatigen Pause nicht eingespielt und es fehlt an der Abstimmung. Dafür hat der Ex-Madrugada-Sänger mit „Where Is My Moon“ und „I Was A Rolling Stone“ gleich zwei ganz neue Songs im Gepäck, der Rest der 60 Minuten besteht hauptsächlich aus Material seines letzten Soloalbums „Long Slow Distance“ und dem Madrugada-Hit „The Kids Are On High Street“. Leider ist im Zelt dabei nicht allzu viel los. Wer aber da ist, dem ist die Gänsehaut dank Siverts alles durchdringender Stimme garantiert.
Sivert Höyem und seine Band sind übrigens einer von nur drei ausländischen Acts, die auf den beiden große Bühnen spielen. Doch der Musikmix, den die niederländischen Bands bieten, klingt erstaunlich vielfältig und international.
So zeigen beispielsweise The Deaf, wie man auf einem Festival richtig Stimmung macht: mit gewöhnungsbedürftigem Aussehen, einer fünfeckigen Gitarre, jeder Menge Energie und Mitgröhl-Parts. Ihre Mischung aus Punkrock und Glam überzeugt aber auch musikalisch.
Ein Manko des ansonsten sehr gelungenen Festivals: Die Auftritte der Bands auf den großen Bühnen überschneiden sich häufig, die beiden Headliner sind sogar genau gleichzeitig dran. Während die Briten von Band Of Skulls das kleinere Zelt bespielen, haben die niederländischen Gothic-Rocker von Within Temptation im größeren Zelt den Heimvorteil auf ihrer Seite. Und zelebrieren ihre etwas übertriebene Show auf einer mehrstöckigen Bühne und einer Videoleinwand, auf der pausenlos die Songs zusätzlich inszeniert werden.
Auch die Headliner bekommen nur 60 Minuten Auftrittszeit, die Within Temptation hauptsächlich mit Songs ihres aktuellen Albums „The Unforgiving“ füllen. Am Ende dürfen aber auch ihre alten Hits „Stand My Ground“, „Ice Queen“ und „Mother Earth“ nicht fehlen. Zeit für eine Zugabe bleibt dann leider nicht mehr. Es ist nach 22 Uhr und kurz darauf sucht sich jeder seinen eigenen Weg zurück aus dem Wald: ob per Taxi, Auto, Fahrrad oder gar zu Fuß.
(Im Original erschienen bei triggerfish.de am 23. Mai 2012.)