Schluss mit quietschebunter Alle-fröhlich-Welt: Auf ihrem neuen Album wollte sich Katy Perry neu erfinden. Dass das gründlich nach hinten losgehen kann, war ihr dabei leider nicht bewusst.
Ein Gastbeitrag von Volker Dohr
Veränderung ist eigentlich eine prima Sache für Musiker und alle Beteiligten: Der Mensch hinter dem Mikrofon wird nicht auf die ewig gleichen Songs reduziert, die Marketing-Abteilung hat einen Kampfbegriff zum auf die Pressemitteilung klatschen und die Fans sind im besten Fall auch noch zufrieden und sehen, dass der Künstler mehr kann.
Katy Perry hat ihr fünftes Studioalbum als große, radikale Veränderung angekündigt. Weg vom bisherigen Image einer Popmusikerin, in deren Welt alle den ganzen Tag lang Süßkram essen und bunte Luftballons aufsteigen lassen, hin zu ernsten Themen. Die politische Landschaft der USA böte dazu eigentlich den besten Nährboden – vor allem, da Perry im US-Wahlkampf für Hillary Clinton geworben hat. Statt eines verwandelten Treffers ist „Witness“ aber vor allem ein Schuss weit über die Latte geworden.
Wollte man es harmlos ausdrücken, würde man „Witness“ als „uninspiriert“ beschreiben. Denn nach einem Produzentenwechsel macht Perry kaum mehr als das, was ihre Konkurrentinnen seit Jahren besser liefern. Pop mit Message findet sich anderswo glaubwürdiger, Disco-Anleihen haben Lady Gaga und Miley Cyrus deutlich überzeugender drauf. „Witness“ will dagegen von Beginn an nicht richtig zünden, der Titeltrack plätschert dahin, die Melodien sind so schnell vergessen, wie die 4 Minuten und 9 Sekunden abgelaufen sind. Auch auf den folgenden Tracks versucht die Sängerin, sich krampfhaft neu zu erfinden, weiß dabei aber nicht so richtig, wo sie eigentlich hin will.
So dümpeln auch „Hey, hey, hey“, „Roulette“ und „Swish Swish“ irgendwo zwischen Elektro, Funk und standardisiertem Club-Sound dahin. Wirklich im Ohr bleibt nur das vorab veröffentlichte „Chained To The Rhythm“ – und ausgerechnet das klingt wie alte Perry-Songs zuckersüß, auch wenn die politische Botschaft vorhanden ist. Auch „Pendulum“ überzeugt, „Save As Draft“ ebenso. Würde „Witness“ aus Songs dieses Kalibers bestehen, könnte die Platte funktionieren. So jedoch wirkt alles zusammengewürfelt in der Hoffnung, einen Glückstreffer zu landen.
Passend zum Titel konnten Perry-Fans mehrere Tage lang Zeuge werden, was die Musikerin den ganzen Tag über so treibt. In „Big Brother“-Manier ließ sie sich permanent von Kameras überwachen. Meist war das arg langweilig – denn wenig überraschend muss auch Katy Perry gewöhnliche Dinge tun wie duschen oder etwas essen.
Die internationalen Klatschspalten horchten jedoch auf, als die Künstlerin bei einem Besuch ihres Psychologen in Tränen ausbrach und von Depressionen berichtete; davon, dass der Mensch und die Kunstfigur nicht mehr so recht miteinander wollen. Das erhebt „Witness“ beinahe in den Stand eines Ausbruchsversuchs aus einer Maschinerie, die Menschen vorrangig als Profite verwertet – aber eben auch nur beinahe, denn statt mit dem Kopf durch die Wand möchte man Katy Perry eher zu einer Auszeit raten.
Albuminfos Katy Perry – Witness
Künstler: Katy Perry
Albumname: Witness
VÖ: 09.06.2017
Label: Capitol Records
katyperry.com
Fotos: Promo
warum gibts hier keine wertung des albums
97%.