Ein Gastbeitrag von Berthold Voitl
Persönliche Schicksalsschläge oder existentielle Nöte generell sollen ein guter Nährboden für Kunst sein. Dieser Topos wurde schon oft bemüht, und ebenso oft zu Unrecht. Beim aktuellen Album von Laura Veirs aus Portland (Oregon) bewahrheitet er sich allerdings.
Nein, Laura Veirs hat kein Album über Isolation in Corona-Zeiten geschrieben. Der Verdacht liegt nahe, wenn man bei Texten mal so nebenbei reinhört. Die Sängerin weiß nicht, was sie tun soll, und starrt türkisfarben Wände an („Turquoise Walls“). Sie fühlt sich gefangen („Freedom Feeling“) und ein paar Songs später fühlt sie Dankbarkeit fürs bloße Dasein („Memaloose Island“). Fast schon fatalistisch nimmt sie dann den Lauf der Dinge hin („All The Things“).
Da liegt die Vermutung nahe: Hier setzt sich jemand mit Quarantäne, Lockdown und Co. auseinander. Laura Veirs thematisiert aber in den meisten Songs von „My Echo“ eine persönliche krisenhafte Situation. Ihre Ehe mit dem Musiker und Produzenten Tucker Martine ging in die Brüche. Das zentrale Thema des neuen Albums hatte schon der Song „I Was A Fool“ angedeutet. Den hatte die Songwriterin am Valentinstag 2020 veröffentlicht. Der Tonfall war tieftraurig, die vorherrschende Stimmung Selbstanklage.
Die Songs von „My Echo“ hingegen wirken stärker, widerborstiger und kein bisschen larmoyant. Das Album ist musikalisch eher ruhig geraten, aber beileibe nicht öde. Stimme und die Gitarre sind prägend, keine Frage. Aber was im Hintergrund an Percussion und Rhythmik eingesetzt wird, sorgt für Unruhe und schafft ein intensives Klangbild. Dazu tragen auch die Gastmusiker Jim James, Bill Frisell, Karl Blau und Matt Ward bei. Am nachhaltigsten im Ohr bleiben sicher „Memaloose Island“, „Burn Too Bright“ und das ergreifende Finale „Vapor Trails“. Darin hört man die leicht verklausulierte Botschaft („Gonna build up stronger next time around“), die einen vermuten lässt, dass Laura Veirs schon begonnen hat, ihre Krise zu meistern.
Es gibt häufig das Statement, ein Künstler habe mit einem Album sein bisher persönlichstes Stück Musik abgeliefert. Nicht selten war und ist diese Formulierung eine Umschreibung für „der Künstlerin/dem Künstler ist nichts besonders Originelles eingefallen, aber sie oder er hat ein wenig übers Leben nachgedacht“. Rückblickend waren das häufig nicht die besten Platten und CDs aus dem jeweiligen Kanon. Laura Veirs‘ elftes Solo-Werk ist eine rühmliche Ausnahme: Persönlich und ausdrucksstark präsentiert es sich.
Produziert hat „My Echo“, wie allen anderen Veirs-Alben seit 2001, ihr nun Ex-Mann Tucker Martine. Zumindest musikalisch scheint die Beziehung also eine Zukunft zu haben.
Albuminfos Laura Veirs – My Echo
Künstler: Laura Veirs
Albumname: My Echo
VÖ: 23.10.2020
Label: PIAS
lauraveirs.com
Fotos: Shelby Brakken und Promo
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