In der Rubrik „Fragebogen“ beantworten Künstler*innen insgesamt 15 Fragen rund um das Thema Musik. Zudem erhalten sie eine weitere Aufgabe: Ein musikbezogenes Foto aufnehmen oder mit einem Bleistift etwas malen oder schreiben. Dieses Mal mit Nathaniel Fregoso.
Erste CD: The California Raisins – Sweet, Delicious and Marvelous. The California Raisins waren eine Gruppe von Rosinen-Knetfiguren, die Soul- und R&B-Musik gemacht haben. Sie waren in den 80ern beliebt, und obwohl die Musik sehr weiß und das Konzept ziemlich rassistisch war, war es diese CD, die mir Songs wie „I Heard It Through the Grapevine“, „I Got You (I Feel Good)“ und „(Sittin’ On) The Dock of the Bay“ vorgestellt hat. Als ich älter wurde, entdeckte ich Marvin Gaye, James Brown und Otis Redding – die alle großen Einfluss auf mich und meinen Auftrittsstil hatten.
Erstes Konzert: Mein Vater war der Geschäftsführer eines spanischsprachigen Radiosenders in Los Angeles, und als ich aufwuchs, ging ich zu vielen Konzerten. Leute wie Vicente Ferndandez, Jose Jose und Selena waren in den lateinamerikanischen Ländern und in der Gemeinde von Los Angeles sehr berühmt, fanden aber als dunkelhäutiges Kind von Einwanderern, die versuchten, sich in die kalifornische Kultur einzufügen, nicht wirklich Anklang bei mir. Ich glaube, es war dieser Außenseiterstatus, der mich während meines Studiums zum Punk hingezogen hat. Die Konzerte, die mich wirklich beeinflusst haben, waren die Indie-Bands der späten Neunziger – The Make Up, Modest Mouse, Built to Spill, Brian Jonestown Massacre, Les Savy Fav und Blonde Redhead. Ich ging die ganze Zeit zu diesen Shows und dort fand ich Gleichgesinnte und ein Gemeinschaftsgefühl.
Früheste Kindheitserinnerung, die etwas mit Musik zu tun hat: Mein Leben in der Musik beginnt mit meinem Vater. Er war Songwriter in Mexiko und schrieb einen beliebten Standard namens „Sabrás Que Te Quiero“ sowie viele andere Songs. Bei mir zu Hause lief immer Musik, und er schrieb oft Texte um, um sie humorvoll zu machen, und trug sie mit der übertriebenen Stimme des Sängers vor. Er hat mir nie Songwriting-Unterricht gegeben, aber er hat mir beigebracht, wie man Spaß an der Sprache hat, und ich glaube, das ist der Grund, warum ich mich heute so zur Musik hingezogen fühle. Es ist eine Form des Spiels für mich.
Aktueller Lieblingssong: Cate Le Bon – „Harbour“
Ich liebe Le Bons neues Album „Pompeii“ und ich spiele den Song „Harbour“ immer wieder. In dem Song geht es darum, sich in den Armen von jemand Besonderem sicher zu fühlen, aber der Text bleibt etwas abstrakt und das gefällt mir. Ich habe sie kürzlich im Frannz Club in Berlin gesehen und war von ihrer Performance begeistert. Der Sound erinnerte mich an Iggy Pops „The Idiot“. Sie kommt Bowie am nächsten und ist doch ein Original.
Peinlichster Lieblingssong: Kanye West – „Jesus Lord“
Kanye West ist eine problematische Figur in der Popkultur und ich bin mit vielen seiner Handlungen nicht einverstanden. Abgesehen davon bin ich ein Fan seiner Musik und denke, dass das Donda-Album ein Meisterwerk ist. Wenn Kanye rappt: „And if I talk to Christ, can I bring my mother back to life? / And if I die tonight, will I see her in the afterlife?“, bekomme ich Gänsehaut. Ich bin kein religiöser Mensch, aber ich mag religiöse Lieder, weil sie von einem Ort glühender Liebe und Hingabe kommen.
Eigener Lieblingssong: Thee Nathaniel Fregoso & the Bountiful Hearts – „Oh Baby!“
Ich war mal mit einer Frau in Los Angeles verlobt und habe dieses Lied für sie geschrieben. Ich denke, es veranschaulicht unsere komplizierte Beziehung ziemlich gut: „You give me something to live for / You give me someone to kill for / That’s what I’m getting my thrills for“. Wir haben das Video während eines Soundchecks im Columbia Theater in Berlin gedreht, als wir für unsere Freunde Allah-Las eröffnet haben. Ich bin jetzt glücklich verheiratet und habe zwei Kinder, aber manchmal macht es Spaß, diesem jungen, wütenden und verwirrten Typen zuzuhören.
Lieblingssongzeile: Jay-Z – „Kill Jay-Z“
Ich mag das ganze Konzept dieses Songs – töte deine alte Persönlichkeit und werde jemand Besseres, „Cry Jay-Z, we know the pain is real / But you can’t heal what you never reveal“. Wenn Jay über sein Leben nachdenken, die Fehler sehen, sich öffnen und ein paar Tränen vergießen kann, können wir das nicht alle?
Bestes Konzert: Amyl & the Sniffers im Zukunft am Ostkreuz. Amy Taylor ist die beste Frontfrau des Rock’n’Roll. Sie ist wie ein Boxer auf der Bühne. Du kannst deine Augen nicht von ihr abwenden und sie könnte dir einfach ins Auge schlagen. Als Performerin ist sie sehr inspirierend und ich konnte während der Show nicht aufhören zu tanzen.
Schlechtestes Konzert: Ich war vor ein paar Jahren bei Beach House und bin nach der Hälfte des Konzerts gegangen, weil ich es so langweilig fand. Es gab absolut keine Energie auf der Bühne und jeder Song klang genau wie auf der Platte. Trotzdem mag ich ihr neues Album „Once Twice Melody“ sehr. Also ist vielleicht alles vergeben.
Bestes eigenes Konzert: 2007 haben The Blood Arm für Muse in einem römischen Amphitheater in Nîmes, Frankreich, eröffnet. Ich weiß nicht, ob es unser bestes Konzert war, aber es war sicherlich das aufregendste.
Vinyl, CD oder mp3? Vinyl. Ich besitze keinen CD-Player und mp3s belegen zu viel Speicher auf meinem Computer.
Download oder Stream? Streaming. Ich erinnere mich an eine Zeit, in der man nicht all seine Musik überall hin mitnehmen konnte und vermisse sie nicht.
Clubkonzert oder Festival? Clubkonzert. Ich möchte die Hand des Sängers berühren können und seinen Schweiß auf meinem Gesicht spüren.
Drei Songs, die auf meinem Mixtape nicht fehlen dürfen: Wet Leg – „Chaise Longue“, Sharon Van Etten & Angel Olsen – „Like I Used To“, Dyan Valdés – „Fade Away“
Welches Album ich auf keinen Fall mit auf eine einsame Insel nehme: The California Raisins – Sweet, Delicious and Marvelous
Vor einigen Monaten haben meine Schwiegereltern das Kinderklavier meiner Frau von London nach Berlin gefahren. Es steht jetzt in unserem Wohnzimmer und ich liebe es, es zu spielen und daran zu denken, wie sie als Kind Unterricht genommen hat. Es ist auch wunderbar zu sehen, wie unsere Kinder darauf herumalbern.
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Fotos: Bernd Diekjobst und Alison Bell