Ihr erstes Album „Greatest Lovesongs Vol. 666“ erschien vor über zwölf Jahren: Die Finnen von HIM sind mittlerweile alte Hasen im Musikbusiness, aber dennoch kein bisschen leise. Auch im Jahr 2010 liefern die Jungs um Frontmann Ville Valo mit „Screamworks: Love In Theory And Practice“ wieder starken Düsterrock mit großen Melodien. Pünktlich zur Veröffentlichung des neuen Longplayers nahm sich Ville Valo Zeit für ein Interview.
Frage: Hallo Ville, wo erwische ich dich gerade?
Ville Valo: Ich bin in Zürich und promote unser neues Album. Später geht es nach Stuttgart, um auch dort mit einigen Leuten zu reden. Dann gibt es einige Spezial-Gigs zur Album-Veröffentlichung in Europa. Nächste Woche fliegen wir nach Australien, danach touren wir in Großbritannien und haben noch ein paar Auftritte in Europa. Danach geht es nach Nordamerika, es folgen einige Sommerfestivals und dann eine weitere Europa-Tour, etwa im September.
Klingt nach viel Arbeit.
Nein, so schlimm ist es nicht. Wir kennen jetzt den Plan für die Frühlingszeit. Mal sehen, wie gut das Album läuft und ob es genug Interesse daran gibt, dass wir noch mehr touren.
In diesen Tagen erscheint euer neues Album. Was ist denn der größte Unterschied zum Vorgänger „Venus Doom“?
Es schlägt direkt ins Gesicht und ist mehr Uptempo. Dazu ist es sehr melodisch, wir haben ja schon immer sehr melodische Musik gemacht. Eher „The Cult“ als „Black Sabbath“. Und es klingt mehr nach den Achtzigern, nachdem „Venus Doom“ eher Siebziger-Musik war. Unser nächstes Album könnte also nach den frühen Neunzigern klingen. Und das danach klingt dann wieder wie unser erstes. (lacht)
Gefällt dir denn die Musik aus den Achtzigern besonders? Euer neuer Sound wird mit Depeche Mode und a-ha verglichen…
…Du musst bedenken, dass Depeche Mode und a-ha noch immer gut im Geschäft sind. Depeche Mode hatten eine sehr lange Karriere und ich habe mich Anfang der Neunziger in ihre Musik verliebt, als „Violator“ herauskam. Kurz darauf folgte „Song Of Faith And Devotion“. Als Kind habe ich diese Sachen im Radio gehört, a-ha, Nik Kershaw, Madonna und all das. Meine Schulfreunde und ich haben außerdem Kiss und Mötley Crüe, eben Metal aus den Achtzigern, gehört. Ich bin also mit der Musik dieser Zeit aufgewachsen und nun ist das einfach wie ein Trip zurück in die eigene Jugend. Es war eine gute Dekade, wenn es um große Songs und große Melodien geht. Ich habe große Melodien schon immer geliebt.
Für „Screamworks: Love In Theory And Practice“ hattet ihr mit Matt Squire einen neuen Produzenten. Wie kam es dazu?
Tim Palmer, unser früherer Produzent, hat „Love Metal“, „Dark Light“ und „Venus Doom“ gemischt und wir waren sehr gute Freunde. Wir wollten dann aber etwas Neues ausprobieren. Einfach mal ein Risiko eingehen und etwas Frisches machen, auch wenn das vielleicht nicht der richtige Ausdruck dafür ist. Ich habe mich dann mit einigen Produzenten getroffen, unter anderem mit Matt. Wir sind im selben Jahr geboren und er hat genau die gleiche Art von Musik gehört wie ich. Daher hatten wir die gleichen Referenzpunkte. Es war toll und hat sehr viel Spaß gemacht, mit ihm zu arbeiten. Wir haben etwas Anderes ausprobiert und es ist, gemessen an unseren Ansprüchen, sehr gut geworden.
Welchen Song auf dem Album magst du denn am liebsten?
(überlegt)
Oder hast du keinen bestimmten Favoriten?
Normalerweise habe ich keinen. Es hat ja auch immer einen Grund, warum Songs aufs Album kommen. Ich halte nichts davon, Füllsongs zu schreiben. Du versuchst einfach dein Bestes und legst verschiedene Emotionen hinein. Mein Lieblingssong wechselt dann immer. Wir haben ja noch nicht mal angefangen zu touren, da wird sich das auch noch ändern. Im Moment mag ich die erste Single „Heartkiller“, „Like St. Valentine“, „Acoustic Funeral“, „Scared To Death“, „Katherine Wheel“,… Ich mag sehr viele. Songs wie „Katherine Wheel“ oder „Scared To Death“ klingen sehr einfach, aber ich habe sehr lange gebraucht, sie richtig hinzukriegen. Nicht im Studio, sondern in meinem Kopf.
HIM sind nun seit über zehn Jahren im Musikgeschäft. Ist es schwer, sich nach der langen Zeit immer wieder zu motivieren?
Es ist nicht schwer, sich zu motivieren, einen neuen Song zu schreiben. Aber es ist schwer, sich zu motivieren, über ein neues Album zu reden. Um die Ecke wartet eigentlich immer eine Katastrophe auf uns. Das können technische Probleme sein oder etwas anderes. Dieses Mal hat es aber ganz gut geklappt. Wir haben sehr viel geprobt, so viel wie nie zuvor für ein anderes Album. Das war ganz schön verrückt, aber im positiven Sinne. Wir haben sehr viel Energie in dieses Album gesteckt. Wir brauchen immer einen Tritt in den Hintern. Es muss eine erste Single rauskommen, damit jeder aufgeregt ist. Man hat immer etwas Angst vor dem ganzen Prozess. Es dauert schließlich sehr lange, ein Album zu machen.
Wie ist es denn für euch, alte Songs wie „Join Me (In Death)“ noch immer live zu spielen?
Das ist ziemlich einfach. Wir rauchen so viel Gras, dass wir uns sowieso an Nichts erinnern können. „Join Me (In Death)“ zu spielen fühlt sich also immer wie das erste Mal an. (lacht) Im Ernst, es scheint Songs zu geben, die den Leuten etwas bedeuten und sie genießen es, wenn wir diese Songs spielen. Und in verschiedenen Ländern mögen die Leute unterschiedliche Songs, das macht wirklich Spaß. Es gibt diese Songs, die ich in meinem ersten gemieteten Apartment in Helsinki geschrieben habe, mit meinem viersaitigen Bass und in Unterwäsche. Das ist über 13 Jahren her und wir spielen die Sachen immer noch. Das ist doch verrückt.
Du hast in den letzten Jahren sehr viele Nebenprojekte gehabt. Steht wieder etwas Neues an?
Im Moment gerade nicht. Ich habe Backing Vocals für die Band Anathema gemacht. Ich weiß noch gar nicht, ob sie die überhaupt benutzt haben, ich habe es noch nicht gehört. Der Song heißt „Angels Walk Among Us“. Und Linde, unser Gitarrist, bringt bald ein Soloalbum raus, das er letztes Jahr aufgenommen hat. Die Musik ist sehr heavy. Daran hat er gearbeitet, während ich neue Songs für HIM geschrieben habe und er etwas freie Zeit hatte. Also hat er seine Ideen und Riffs in einem Soloalbum verwirklicht. Unser Keyboarder Burton schreibt Musik für Kurzfilme und hat noch eine andere Band, die allerdings nur selten auftritt. Drummer Gas hat immer verschiedene Projekte. Er spielt Drums in fünf Bands, singt für zwei Bands und spielt in sieben Bands Gitarre. So ist er eben. Meine musikalischen Bedürfnissen werden aber zur Zeit in dieser seltsamen Gruppe HIM befriedigt.
Vielen Dank für das Interview, Ville.
(Im Original erschienen bei triggerfish.de am 12. Februar 2010.)