Ein Gastbeitrag von Volker Dohr
Ja, „As You Were“ war gut. So gut sogar, dass die Verfasserin der Kritik hier völlig korrekt resümierte, das Solo-Album von Liam Gallagher habe keine Ausfälle. Mehr noch: Es klang ein wenig, als hätten sich Oasis nie aufgelöst. Haben sie aber und dass Liam punktgenau zehn Jahre danach immer noch daran knabbert, macht sein neues Album leider zu Durchschnittskost.
Im Pressetext wird zwar in Gallagher-typischer Großspurigkeit davon gesprochen, dass der Nachfolger den Vorgänger übertrumpfe und allein der Titel „Why Me? Why Not.“ lässt ja schon einiges an Ego durchscheinen – eingehalten wird aber leider nichts davon.
Das liegt zunächst vielleicht einfach daran, dass Liam kein wirklich begnadeter Texter ist und es dieses Mal auch die Zusammenarbeit mit Menschen, die texten können, nicht rettet. Kostproben gefällig? „It’s a long, long lonely life / sometimes you gotta hold your head up high“ aus „Meadow“ etwa. Oder „I am laser / and I see with x-ray eyes“ („Invisible Sun“), was beinahe klingt, als wäre H.P. Baxxter hier der Ghostwriter gewesen.
Textliche Defizite könnte man ja übersehen, wenn es denn rocken würde – was der vorab veröffentlichte Track „Shockwave“ durchaus hat, was die auf dem Album vertretenen „Halo“ und „The River“ ebenfalls tun. Selbst „One Of Us“, in dem Liam die Trennung von Noel beweint, hat seine Momente und wäre als solide Oasis-Ballade durchgegangen.
Doch dann kommen diese verdammten Streicher. In nahezu jedem der restlichen Songs. Und mit ihnen der Pathos. Ja, Oasis sind Geschichte, ja, das tut sicher noch manchmal weh, aber deshalb in so gut wie jedem Track Anspielungen darauf? Das plätschert alles ganz fürchterlich vor sich hin und sorgt nicht für einen oder zwei, sondern gleich eine ganze Reihe austauschbarer Songs („Why Me? Why Not“, „Alright Now“, „Meadow“, „Gone“, „Misunderstood“). Einfach mal ein wenig reduzierter war offenbar nicht drin, nein, es muss gleich die volle Bandbreite aufgefahren werden. Und die passt einfach nicht.
Die Rock’n’Roll-Momente dagegen, die „As You Were“ zum Erfolg verhalfen, sie fehlen hier fast komplett. Der selbsternannte Rock’n’Roll-Star klingt stattdessen nach seichter Fahrstuhlmusik und der Fahrstuhl ist auf zügigem Weg in den Keller.
Immerhin ist der 47-Jährige stimmlich weiterhin auf der Höhe und unverwechselbar. Man möge ihm wünschen, dass er das auf Album Nummer drei dazu nutzt, auch wieder etwas anderes als Beliebigkeits-Pop zu kreieren.
Albuminfos Liam Gallagher – Why Me? Why Not.
Künstler: Liam Gallagher
Albumname: Why Me? Why Not.
VÖ: 20.09.2019
Label: Warner
liamgallagher.com
Fotos: WMG
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