INTERVIEW: Serhat

Mit Platz 19 hat Sänger Serhat das bislang beste ESC-Ergebnis für San Marino eingefahren. Wir haben uns nach dem Contest mit ihm zum Interview getroffen.

Serhat, San Marino, Eurovision Song Contest 2019

Mit bleistiftrocker.de spricht Serhat unter anderem über die bald erscheinende deutsche Version seines ESC-Songs, seine Erinnerungen an Tel Aviv und seine Pläne für die Zukunft.

bleistiftrocker.de: Wie kam es dazu, dass du eine deutsche Version von „Say Na Na Na“ aufgenommen hast?

Serhat: Ich bin gefragt worden – von meiner Plattenfirma und von Michael Begasse von RTL. Er hat auch den Text geschrieben. Ich wollte immer schon auf Deutsch singen, weil ich die Sprache schon als Kind gelernt habe. Es ist eine Herausforderung, in einer anderen Sprache zu singen. Der Song soll im Juli veröffentlicht werden. Es sieht so als, als ob „Say Na Na Na“ in Deutschland wirklich beliebt ist. Und mit einer deutschen Version kann man diese Beliebtheit noch verstärken.

Warst du denn traurig, beim ESC keine Punkte aus Deutschland bekommen zu haben?

Wenn ich ehrlich sein soll: Wir alle wissen, dass der Eurovision Song Contest leider nicht nur ein Musik-Contest ist. Es ist auch ein Contest zwischen den Ländern und es wird nicht nur die Musik bewertet. Deshalb bin ich nicht traurig. Ich weiß gar nicht, ob ich aus Deutschland im Televoting Punkte bekommen habe, darauf habe ich gar nicht geachtet. Aber traurig bin ich nie. Wie ich eben sage: Say Na Na Na.

Ist Platz 19 denn ein Erfolg für dich? Es ist immerhin das beste Ergebnis, das San Marino jemals beim ESC erzielt hat.

Nein. Beim Eurovision Song Contest gibt es nur einen Gewinner. Wenn du Zweiter oder Sechsundzwanzigster wirst – das ist für mich dasselbe. Ich beschwere mich nicht über den Platz, den ich gemacht habe, es ist okay und vielleicht der beste Platz, den San Marino bislang hatte. Aber es war ein Contest und der ist jetzt vorbei. Man soll es auch nicht übertreiben. „Traurig“, „Überglücklich“ und sowas – das sind nicht meine Begriffe.

Aber du hast dich sicherlich gefreut, als verkündet wurde, dass du das Finale erreicht hast, oder?

Doch, natürlich. Jeder will ins Finale kommen, jeder will gewinnen. Das ist der Mittelpunkt in diesen Tagen, aber jetzt, einige Wochen danach, nicht mehr. Diese Gefühle sind nicht mehr so aktuell. Aber es ist natürlich eine gute Erinnerung. Ich bin eine Person, die sich immer auf die Zukunft konzentriert und nicht in der Vergangenheit lebt. Jetzt gehört der Eurovision Song Contest für mich zur Vergangenheit – eine gute Erinnerung, aber es gibt viel zu tun in der Zukunft.

Trotzdem muss ich natürlich noch eine rückblickende Frage stellen: Im Interview vor dem ESC hast du gesagt, dass du die drei Minuten auf der Bühne in Tel Aviv einfach genießen möchtest. Hat das geklappt?

Das Finale habe ich sehr genossen, es war wirklich toll. Wie kannst du es nicht genießen, wenn 5000 Menschen mit dir deinen Song singen? Das ist so schön, das hat nicht jeder erlebt. Aber auch bei den Promo-Konzerten in Amsterdam und Madrid war „Say Na Na Na“ das Lied, das vom Publikum am meisten gefeiert wurde. Das ist für mich so wichtig und auch ein Gewinn. Man gewinnt nicht nur einen Pokal, sondern auch die Herzen von tausenden Menschen. Das bleibt.

Welchen anderen Song des Jahrgangs mochtest du? War der Gewinner Duncan Laurence auch dein Favorit?

Nein. Mein Favorit war San Marino.

Aber für das eigene Land darf man ja bekanntlich nicht abstimmen.

Aber von der internationalen Musikszene her betrachtet ist es ganz normal, dass ich „Say Na Na Na“ als Favorit sehe.

Du hast bereits angekündigt, dass du nicht mehr als Künstler beim ESC antreten möchtest…

Genau. Zwei Mal ist genug. Viele andere sind vielleicht süchtig danach, aber ich bin keiner von ihnen. Zwei Mal war sehr gut für mich, ich habe tolle Erinnerungen und bin sehr zufrieden, dabei gewesen zu sein. Aber als Künstler ist es auch gegen meine Prinzipien. Auf Türkisch sagt man: Einen Honiggeschmack, den man hat, soll man sich nicht verderben. Das habe ich jetzt und mehr ist zu viel. Aber als Komponist oder Produzent – das sind zwei Titel, die ich sowieso habe – warum denn nicht? Ich kann ein Lied schreiben oder die ganze Sache produzieren, das alles ist möglich. Aber ob es gleich nächstes Jahr sein wird oder später, das ist noch viel zu früh zu sagen.

Wäre das denn erneut für San Marino oder womöglich auch für ein anderes Land? Wir warten zum Beispiel alle darauf, dass dein Heimatland Türkei wieder in den ESC zurückkehrt.

Nein, nicht nur San Marino. Es kann jedes Land sein. Ich bin ein internationaler Künstler, nicht nur auf ein Land begrenzt und habe vielleicht schon mehrere Optionen für ein solches Comeback.

Was waren die größten Unterschiede zwischen deiner ESC-Teilnahme 2016 und der in diesem Jahr?

Jeder ESC ist anders. Stockholm war sehr gut organisiert, Israel war lockerer, aber dabei sehr freundlich. Ich kann beide kaum vergleichen, beide waren eigentlich sehr gut. Aber es kann natürlich immer besser sein. Ich habe eine gute Zeit dort gehabt. In diesem Jahr habe ich festgestellt, dass ich mit so große Liebe bedacht worden bin, schon bei den Promo-Konzerten. Man merkt das in den sozialen Medien, aber wenn man das vor Ort sieht, dass die Leute wirklich eine Liebe zu dir zeigen, das vergisst man nicht. Ich bin dem Eurovision sehr dankbar, dass meine Verbindung zu den Fans so stark geworden ist.

Und wie gehst du jetzt damit um, hier ohne Fans wieder ganz normal im Studio zu sitzen?

Ich bin ein ganz normaler Mensch. Ich trinke meinen Tee, ich schlafe, ich esse, ich unterhalte mich mit meinen Freunden. Das andere ist mein Job. Ich liebe, was ich da mache, ich bin sehr gerne auf der Bühne und liebe Musik. Ich bin sehr glücklich darüber, dass die Leute mich lieben. Weißt du, Künstler haben den schwierigsten Beruf der Welt. Ein Ingenieur oder ein Buchhalter versuchen nicht, von jedem geliebt zu werden. Wir armen Künstler sind die einzigen, die betteln „Bitte liebt mich“, das ist der schwierigste Job der Welt. (lacht) Aber es ist so. Ohne die Liebe der Fans gibt es keinen Künstler. Ich beantworte immer alleine Wünsche und Fragen, das lasse ich nicht von meinem Team machen. Das ist meine Verantwortung den Fans gegenüber. Sie investieren ihre Zeit, um dir was Nettes zu sagen, wie kannst du dich da verstecken und andere Leute antworten lassen? Ich glaube, die Fans merken auch, dass ich echt bin.

Wird es denn in nächster Zeit auch Auftritte in Deutschland geben?

In Deutschland ist noch nichts Konkretes geplant. Aber ich war früher schon mal im deutschen Fernsehen bei Fernsehgarten und Carmen Nebel. Es gibt auch nicht so viele Shows, wo man auftreten und seine Musik vorstellen kann. In der Türkei ist es das gleiche Problem. Musikprogramme basieren mehr auf den Castingshows und Newcomern, die singen. Und von denen haben wir auch 80 Prozent beim Eurovision Song Contest gehabt. Das ist wie eine Castingshow geworden, das ist der neue Trend, das akzeptiere ich auch total. Es ist aber sehr gut, auch andere Auftritte zu haben. Aber ich muss mich auch ein bisschen erholen. Für den ESC habe ich drei Monate lang so viel gemacht und bin so viel gereist, das macht dich müde.

Du bist gerade in Frankfurt und nimmst nicht nur die deutsche Version von „Say Na Na Na“ auf, sondern auch einige türkische Songs. Was hat es damit auf sich?

Das ist ein türkisches Album von einem Poeten, der in den 30er Jahren gestorben ist. Ich habe die Gedichte komponiert, es ist ein Konzeptalbum und total anders als die Musik, die ich auf meinem anderen Album gezeigt habe. Das hier soll Ende Oktober auf den Markt kommen.

Du hast dein aktuelles Album „That’s How I Feel“ gerade angesprochen. Darauf sind auch einige ältere Songs zu finden. Wie kam es dazu, die endlich auch auf ein Album zu packen?

Meine Lieder sind nicht zeitlich begrenzt. „Total Disguise“ habe ich vor 15 oder 16 Jahren gemacht, viele Radios spielen noch immer die klassische Version davon. Man kann meine Lieder auch jetzt noch hören und ich brauche keine großen Änderungen zu machen. Drei oder vier der 14 Lieder sind schon früher veröffentlicht worden, die anderen sind total neu. Ich möchte nicht jedes Jahr oder alle zwei Jahre ein Album auf den Markt bringen mit nur einem guten Song. Mein Album ist wie ein Best Of und ich bin sehr stolz darauf. Es steht vielleicht 2019 drauf, aber wenn wir uns in zehn Jahren noch mal begegnen werden, wird es immer noch da sein, daran glaube ich fest.

 

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Foto: eurovision.tv / Thomas Hanses

 

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One Comment on “INTERVIEW: Serhat”

  1. Tolles Interview! Serhat kommt sehr authentisch rüber, mein großes Kompliment. Allein seine Aussage „Zweimal beim ESC dabei zu sein ist genug“ zeigt doch deutlich wie er „tickt“. Es gibt auch noch andere schöne Dinge im Leben, auch in der Musik!

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