Verwirrung um die Aufnahmen für die Jury, ein komplett neues Staging und ein Act, der krankheitsbedingt passen muss: Hier ist unser Zusammenfassung der Proben für „Unser Lied für Liverpool“ am Donnerstag.
Nachdem alle neun Acts am Mittwoch erstmals für komplette Proben auf der Bühne in den MMC Studios in Köln gestanden hatten (hier unsere Foto- und Video-Eindrücke), gab es am Donnerstag erneut mehrere Durchläufe für alle. Diese gestalteten sich deutlich zügiger als noch am Vortag, die Auftritte nehmen sowohl auf der Bühne als auch für den TV-Bildschirm Form an.
Jurys bewerten Auftritte vom Abend
Verwirrung gab es zunächst um die Videos für die internationale Jury: Vor allem Trong als erster bekam deutlich zu verstehen, dass sein dritter Take der sei, den die Jurys schließlich bewerten würden – diese Punktzahlen machen am Ende immerhin 50 Prozent des Gesamtergebnisses aus. Im Lauf des Tages wurden die Ansagen unklarer und am Abend bestätigte der ausrichtende Sender NDR: Die Videos der (für die Presse nicht einsehbaren) Durchlaufprobe am Donnerstagabend werden für die Jurywertung verwendet, die Aufnahmen vom Mittag und Nachmittag lediglich als Backup.
Sowohl in den Einzelproben am Tag als auch in der Durchlaufprobe am Abend fehlte ein Act: Frida Gold konnten krankheitsbedingt nicht auftreten. Die Jurys sollen dem NDR zufolge eine Aufnahme aus der Probe vom Mittwoch mit dem entsprechenden Hinweis bekommen. Ob auch der Auftritt in der Live-Show am Freitagabend gefährdet ist, stand am Donnerstag noch nicht fest.
Hier Beobachtungen und Fotos zu den einzelnen Acts, die am Donnerstag auf der Bühne zu sehen waren:
Trong eröffnete auch an diesem Tag den Probe-Reigen. Sein Selbstbewusstsein steigt mit jedem Durchlauf, die Choreografie sitzt und mit seinem Trick-Outfit bringt er echtes ESC-Flair. Dazu bedankt er sich in seinem Song „Dare To Be Different“ in einer Zeile auf Deutsch.
„Die Show soll Diversity zeigen“, hatte er bereits am Mittwoch im Gespräch mit bleistiftrocker.de erklärt. Trong wird auch in der Live-Show am Freitagabend der erste auf der Bühne sein. „Es ist mir eine Ehre, den ESC-Vorentscheid in diesem Jahr eröffnen zu dürfen.“
Anica Russo und ihr botanisches Bühnenbild folgten. Auch bei ihr änderte sich im Vergleich zum Vortag nicht mehr viel – sie beginnt sitzend, steht aber recht schnell auf und läuft in der Kulisse umher, gerne auch mal verträumt. Die Zeile „And the lights went off one by one“ bekommt ihre entsprechende Bühnenumsetzung leider nicht. Dafür gibt es eine schöne Atmosphäre und eine tolle Sängerin.
Lonely Spring waren mit „Misfit“ als nächste an der Reihe. Die Band hatte wie schon tags zuvor ein Problem mit den Mikrofonständern, die auf den Podesten immer wieder umzufallen drohten und mit Extra-Klebeband befestigt wurden. „Wir sind eine Möchtegern-Punkband, die halt gerne abgeht“, hatte es Sänger Jules im Gespräch mit bleistiftrocker.de am Mittwoch beschrieben.
Die dunklen Puppen, die die Band auf der Bühne umgeben, standen im Vergleich zum Mittwoch etwas luftiger. In der Regie war die Rede davon, dass die Figuren noch bunter werden sollen, das entsprechende Material aber noch nicht da sei. „Es ist total crazy, mal in so einem Fernsehstudio zu stehen. Man hat schon ein bisschen Respekt davor, aber es macht total Spaß“, so Jules.
Will Church folgte mit seiner Ballade „Hold On“ und einem Moment, der in Erinnerung bleibt: Zu Beginn sieht man ihn dank eines Spiegels zwei Mal. „Am Anfang kämpfe ich noch mit mir selbst und singe mich selber an, deswegen der Spiegel. Der dreht sich irgendwann weg, dann bin ich für mich und auch geöffnet zum Publikum“, hatte der Sänger sein Konzept im Gespräch mit bleistiftrocker.de am Mittwoch erläutert. Und auch sonst war er sehr gelöst: „Ich mag meinen Song immer noch, das ist ein gutes Zeichen.“
Patty Gurdy und ihre Drehleier betraten die Bühne im Anschluss. Stimmlich war die Sängerin deutlich verbessert, besonders im letzten Durchlauf. Das Staging ist verhältnismäßig reduziert, der Fokus liegt auf Patty und ihrem Instrument.
Nur ein Mini-Trickkleid bringt etwas Abwechslung: Im Laufe des Songs wirft Patty Gurdy einen hellen Rock aus Wurzeln ab. „So nach dem Motto: Ein paar Sachen einfach mal hinter sich lassen und weiter in die Zukunft tanzen“, erklärte sie im Gespräch mit bleistiftrocker.de am Donnerstag.
René Miller war am Donnerstag Nummer sechs, wird in der ARD-Show am Freitag aber als Zweiter an der Reihe sein. Bei ihm gab es die größte Veränderung: Hatte er seinen Song „Concrete Heart“ am Mittwoch noch auf einem gut zwei Meter hohen Stein sitzend performt, stand er dieses Mal ganz einfach auf der Bühne.
Wobei: Zu Beginn kniete er, am Ende auch. Zwischendrin gab es leidende Gesten und starken Gesang – auch dafür tut das neue Staging sehr gut. Am Donnerstagmittag war noch unklar, ob der Stein nicht doch noch mal zum Einsatz kommen könnte. Allerdings würde sich René Miller damit sicher keinen Gefallen tun.
Ikke Hüftgold kam nach einer kleinen Pause dran. Sein Song polarisiert, sein Staging ist gold und gaga. Maskierte Tänzer*innen sind dabei schon sehr ESC-like, hinzu kommen Textzeilen auf Englisch und ein betont großes Buch („Buch mit gutem Text“, laut Aufschrift), aus dem der Sänger seine schlichten Zeilen bequem ablesen kann. Für Stimmung sorgt Ikke auf jeden Fall – bei ihm wird die große Frage sein, ob die internationale Jury etwas mit ihm anfangen kann.
Und dann wäre da ja auch noch das Konditionsproblem, das bei den Einzelproben am Donnerstag dafür sorgte, dass der Sänger seine Goldjacke zwischen den Durchläufen immer wieder auszog: „Ich habe gemerkt, dass ich nach drei Mal singen mit diesem warmen Anzug und den vielen Lichtern fix und fertig bin“, hatte Ikke im Gespräch mit bleistiftrocker.de am Mittwoch erzählt. In der Liveshow wird ihm das erspart bleiben: „Ich bin froh, dass ich nur einmal singen muss.“
Lord Of The Lost waren wegen der Absage von Frida Gold schon der letzte Act in den Einzelproben am Donnerstag. Man merkt der Band vom ersten Ton an an, dass sie Liveshows im Blut hat – selbst wenn es wie in diesem Fall nur zu einem Halbplayback ist. Natürlich ballerte erst der letzte Durchlauf so richtig, wie üblich gab es nämlich erst dann die komplette Pyro-Show zu sehen. Und Lord Of The Lost haben ordentlich Feuer-Fontänen am Start.
„Wir haben versucht, unser Musikvideo von ‚Blood & Glitter‘ auf eine Livebühne zu transferieren und noch ein bisschen größer und eindrucksvoller zu machen“, sagte Sänger Chris Harms am Mittwoch im Gespräch mit bleistiftrocker.de. Die Band hinter ihm steht auf Gerüsten, die Bühne ist auch nach oben hin ausgefüllt. Mit diesem Auftritt dürften Lord Of The Lost mit Sicherheit zum engen Favoritenkreis für „Unser Lied für Liverpool“ zählen.
Fotos: Sonja Riegel / bleistiftrocker.de