Dadi Freyr ist durch den ESC bekannt geworden. Nun hat der isländische Sänger ein Album gemacht. Wir haben uns mit ihm unterhalten.
Im Zoom-Interview mit bleistiftrocker.de spricht Dadi Freyr unter anderem über eine mögliche Rückkehr zum Eurovision Song Contest, seine Abneigung gegen Backing Tracks beim Wettbewerb, sein kommendes Debüt „I Made An Album“ (VÖ: 25. August 2023) und den Hype um „Think About Things“ im Jahr 2020.
bleistiftrocker.de: Nach der Absage 2020 und der Quarantäne 2021 hast du in diesem Jahr erstmals im Finale auf der ESC-Bühne gestanden – als Interval Act. Wie war das für dich?
Dadi Freyr: Es hat viel Spaß gemacht. Ich stand noch nie wirklich vor einem großen Eurovision-Publikum, es war also toll zu sehen, wie es mich empfangen hat.
Außerdem warst du mit einem Eiswagen in Liverpool und konntest endlich ESC-Fans treffen – was 2021 in Rotterdam ja nicht ging.
Genau. Damals haben wir nicht wirklich irgendwen getroffen. Und wenn doch, dann mussten wir Abstand halten und es war immer komisch. Das war dieses Mal viel schöner.
Du hast als Interval Act den Song „Whole Again“ von Atomic Kitten in deiner eigenen Version gespielt. Wer hat entschieden, dass es der Song für dich sein würde?
Das war ich. Ich musste mir einen aus Liverpool aussuchen. Und das war der einzige, den ich machen wollte, als mir klar wurde, dass er von dort kommt. Ich mag ihn und ich suche mir gerne solche Songs aus, die ich mir nicht zu oft aktiv angehört habe, aber die jeder kennt. Er hat eine gute Melodie und es war einfach, ein Remake zu machen.
Wirst du der ESC-Bubble denn in irgendeiner Weise erhalten bleiben oder war der Auftritt ein Schlussstrich für dich?
Ich glaube, dass ich irgendwann einen Song für jemand anderen schreibe, der teilnehmen möchte. Aber ich habe keine Pläne, zurückzukehren. Aber wenn ich gefragt werde, ob ich nochmal als Gast-Act auftreten möchte, bin ich definitiv dabei.
Würdest du den Song denn für einen isländischen Act schreiben?
Ich denke, dass ich was für Island schreiben würde, ja. Würde ich einen Song für den ESC für ein anderes Land schreiben, das dann gewinnt, dürfte ich wahrscheinlich nicht mehr nach Island einreisen.
Du hast dich kürzlich auf Twitter gegen die Regel ausgesprochen, dass man beim ESC einen Backing Track mit aufgezeichnetem Gesang verwenden darf. Wieso?
Es ist dann einfach weniger ein Wettbewerb. Für mich ist es wie ein Sport. Und wenn man alles auf dem Playback hat, ist das, als würde man beim Fußball die Tore viel größer machen. Es ist dann einfach nicht mehr so interessant, zuzuschauen. Jeder singt gut und dann geht es eher darum, wie du tanzt. Ich will brüchige Stimmen und Momente, in denen jemand richtig Mist baut. Es ist heutzutage sehr einfach, das zu überspielen.
Als die Änderung 2021, damals wegen der Pandemie, eingeführt wurde, hast du sie genutzt, um einen großen Chor im Playback zu haben. Mochtest du die Regel damals?
Nein. Ich glaube nicht, dass es nötig war. Deshalb habe ich die tausend Menschen im Chor gehabt. Ich dachte, dass man nach dem Wettbewerb merken würde, dass das nicht der richtige Weg ist. Deshalb wollte ich den größten Chor der ESC-Geschichte haben. Aber jetzt kann mir das jemand wegnehmen.
In den Credits deines kommenden Albums steht, dass du alles zu 100 Prozent selbst gemacht hast. Stimmt das?
Ja. Ich mache nicht die fertigen Mixes oder mastere meine Musik, aber alles andere an diesen Songs habe ich gemacht – vom letzten Track abgesehen. Das ist mein Debüt auf Albumlänge mit meinem Soloprojekt unter meinem Namen. Ich wollte etwas veröffentlichen, das das gut repräsentiert. Es heißt „I Made An Album“ und das ist, was es ist.
Was können wir von deinem Album denn erwarten?
Es ist poppig und die Musik ist eingängig. Das, was ich gerne mache. Ich singe über mein Leben – darüber, Vater zu sein und neu in der globalen Musikindustrie zu sein. Wie man Freunde, persönliche Beziehungen, die Karriere und die eigene mentale Gesundheit jongliert.
Du fühlst dich in der Musikindustrie also immer noch neu?
Im größeren Sinne ja. Außerhalb von Island wusste vor 2020 niemand, wer ich bin. Und vor 2021 konnte ich nicht auf Tour gehen, es sind also nur zwei Jahre, seit ich damit angefangen habe. Aus keinen Touren ist mittlerweile sehr viel Touren geworden.
Was magst du denn lieber: Touren oder im Studio an Songs arbeiten?
Ich mag beides sehr gerne. Nach vielem Touren freue ich mich sehr darauf, wieder ins Studio zu gehen. Aber wenn ich zu viel Zeit im Studio verbracht habe, freue ich mich darauf, wieder unterwegs zu sein. Ich brauche wohl diese Balance. Wenn ich im Studio bin, arbeite ich darauf hin, auf Tour zu gehen und denke daran, wie Songs in ein Live-Setting passen. Und wenn ich auf Tour bin, lerne ich, was funktioniert und was ich auf der Bühne gerne spiele. Wenn ich zurück ins Studio komme, mache ich dann mehr davon.
Glaubst du, dass Alben noch immer relevant sind?
Ähm, nein. Ich habe mich selbst herausgefordert, das zu machen. So lange an so vielen Songs zu arbeiten, ist ermüdend – vor allem, wenn du alleine arbeitest. Ich genieße es mehr, die EPs zu veröffentlichen. Es ist sehr bereichernd, ein Album zu haben. Aber Alben sind so, wie sie sind, weil sie auf den Tonträger passen. Das ergibt keinen Sinn mehr, dass Menschen noch Alben machen, die 30 bis 60 Minuten lang sind. Sie müssen ja nirgends draufpassen. Aber jeder, der jetzt Musik macht, ist damit aufgewachsen, Alben zu hören, also wollen wir auch welche machen. Aber in einigen Jahren wird das nicht mehr der Fall sein.
Magst du denn auch den physischen Aspekt von Alben?
Ja, ich sammele Vinyl. Und ich höre mir Alben an. Ich höre sie gerne, es ist nur schwer für mich, welche zu machen. Wenn ich etwas mache, will ich es direkt veröffentlichen. Sobald ein Video oder ein Song da ist, will ich, dass es rauskommt. Deshalb habe ich Teile meines Albums auch schon als EPs veröffentlicht. So konnte ich damit beginnen, es zu veröffentlichen, als ich noch daran gearbeitet habe. Ich war noch nicht fertig, als die ersten Songs herauskamen. Aber jetzt ist es fertig.
Du lebst in Berlin. Wieso bist du nach Deutschland gezogen?
Wegen des Musikstudiums. Ich war am Catalyst Berlin in Musikproduktion und Tontechnik. Ich habe einen Bachelor-of-Arts-Abschluss, sehr schick.
Und warum bist du in Berlin geblieben?
Weil es schön und entspannt ist. Das Wetter ist besser und alles ist billiger als auf Island. Ich habe hier inzwischen viele Freunde. Es sind viele Faktoren, wegen denen wir noch immer hier sind.
Hast du denn eine Verbindung zur Musikszene in Berlin?
Ich bin mit meinen musikalischen Freunden in Verbindung. Ich bin nicht in der Szene – ich denke nicht, dass ich in irgendeiner Szene bin. Ich habe mich auch nie so gefühlt, als wenn ich in eine Szene passen würde, egal ob hier oder auf Island.
Dein neuestes Video „Moves To Make“ handelt davon, ein viraler Hit zu sein. Erzählst du darin deine eigene Geschichte?
Zum Teil wahrscheinlich schon. Aber ich fühle mich nicht so, wie es im Video beschrieben wird. Ich mache nicht immer dasselbe und Menschen kommen nicht nur für eine Sache. Davor hatte ich zu Beginn aber ein bisschen Angst, dass „Think About Things“ die einzige Sache sein würde, für die sich die Leute interessieren. Es ist natürlich noch immer mit Abstand mein größter Hit und das ist okay für mich. Aber Menschen kommen nicht spät zu meinen Shows, weil sie nur das hören wollen – und sie gehen auch nicht, wenn ich es gespielt habe. Das würde mir nicht gefallen.
Wie hat sich das denn damals für dich angefühlt, als „Think About Things“ so durch die Decke gegangen ist?
Es war ja vor allem online. Wenn ich davor flüchten wollte, musste ich nur den Computer ausmachen. Es war aufregend. Sehr viele neue Möglichkeiten und ich habe viele Inhalte für Social Media erstellt, was ich damals lieber gemacht habe als heute, ehrlich gesagt. Jetzt nervt mich das ein bisschen. Aber damals war alles sehr neu und aufregend. Jetzt will ich einfach nur Musik machen und Shows spielen.
Warum bist du inzwischen genervt davon, Social-Media-Inhalte zu produzieren?
Aus vielen Gründen. Sobald du etwas gemacht hast, ist es einige Tage später schon wieder eine ganze Weile her, dass du was bei TikTok, Instagram oder wo auch immer gepostet hast. Diesen Zeitdruck mag ich nicht. Ich will, dass mich das, was ich online stelle, wirklich repräsentiert und dass es mir auch gefällt. Wenn ich mich an einen Zeitplan halte, geht das nicht.
Die letzte Frage dreht sich natürlich um deine kommenden Projekte. Was steht als nächstes an?
Erstmal die Album-Veröffentlichung am 25. August. Dann geht es im September und Dezember auf Tour, wahrscheinlich gibt es Anfang des kommenden Jahres eine weitere. Und es gibt ein Musikvideo, das ich noch nicht gedreht habe, aber ich weiß, wie es aussehen soll. Es ist für den letzten Song des Albums, darauf singe ich in Deutsch.
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