Es gibt Konzerte, bei denen fällt jedes Geräusch, das nicht von der Bühne kommt, sofort unangenehm auf. Privatgespräche innerhalb der Zuschauer, die betätigten Flaschenöffner an der Theke – die ganz sensiblen Zeitgenossen stören sich sogar am Kaugummikauen des Nachbarn.
Genau so ein Konzert findet an diesem Abend in der Räucherkammer des Wiesbadener Schlachthofs statt. Mit Boy Omega und Christian Kjellvander stellen sich mehrere schwedische Künstler vor, deren Songs sich durch Ruhe und Gebrechlichkeit auszeichnen.
Zunächst legen Boy Omega, bestehend aus Sänger Martin Gustafsson und Per-Ola Eriksson, der die musikalische Begleitung übernimmt, los. Die beiden Schweden beginnen mit einer akustischen Version von „Burn this flag“. Später gibt es bei einigen Songs instrumentalen Hintergrund aus der Konserve, der dabei allerdings zu laut wirkt und den Liedern die Melancholie raubt. Das Publikum hört dennoch aufmerksam zu und lässt sich von Martin zwischen den Songs erzählen, dass die Crew auf Tour ihre Zeit mit „Pferde-Poker“ zubringt. Am Ende der Dreiviertelstunde spielen Boy Omega noch ein Duett mit Karla-Therese Kjellvander, die später auch bei ihren Mann Christian die Zweitstimme übernimmt.
So entern die Kjellvanders, unterstützt von einem weiteren Begleitmusiker, um viertel nach neun die Bühne der Räucherkammer. Diejenigen, die an diesem Samstagabend gekommen sind, erweisen sich als die Zuschauer, die der Musik gerecht werden: Alle hören aufmerksam zu, während der Schwede seine traurig klingenden Songs vorträgt, und spenden ihm immer wieder artig Applaus. Christian Kjellvander Stimme lässt sie dafür träumen. Und immer wieder dreht sich alles um diese typisch skandinavische Melancholie.
„I’ve got two souls, one’s gonna love you, and the other one is gonna cause you hurt“, singt der Schwede in seinem Song „Two Souls“ vom aktuellen Alben mit dem wenig geschmeidigen Titel “I saw her from here / I saw here from her”. Dabei wird wenig experimentiert, meist wird Christians Gesang im immer gleichen Schema von der weiblichen Zweitstimme untermalt. Bei „Portugal“ hämmern aber auf einmal Drums sehr eindringlich im Hintergrund. Diese Unterbrechung der ansonsten vorherrschenden Monotonie ist genauso angenehm wie Christian Kjellvanders unterhaltsame Ansagen.
Nach nur guten 60 Minuten verlässt Christian Kjellvander schon zum ersten Mal die Bühne. Zum Glück gibt es noch drei Songs als Zugabe. Dabei ist es dann für die Geräuschempfindlichen unter den Zuhörern vorbei mit dem Genuss. In der großen Halle nebenan erklingen nämlich bereits die ersten lauten Töne einer Alternativeparty bis in die Räucherkammer hinüber und trüben die Freude an Christian Kjellvanders Darbietungen. Schade, denn das aufmerksame Publikum hatte sich diese Freude wirklich verdient.
(Im Original erschienen bei triggerfish.de am 12. März 2008.)