Mit ihrem Album „Ghost“ haben die Songwriter Al Lewis und Alva Leigh im vergangenen Jahr für Furore gesorgt. Kürzlich waren der Brite und die Amerikanerin bei uns auf Tour. Wir haben sie in Köln zum Interview getroffen und mit ihnen unter anderem über persönliche Songs, ihre spezielle Chemie und Politik gesprochen.
Hier gibt es das Video zum Interview mit Lewis and Leigh.
bleistiftrocker.de: Ihr seid gerade auf Deutschlandtour. Wie läuft es bislang?
Alva Leigh: Die Tour war bislang großartig.
Al Lewis: Ja, wirklich. Wir waren in Mannheim, München und vergangene Nacht in Dresden. Es war richtig gut. Das sind Städte, in denen wir noch nie zuvor gespielt haben. Und dort ein tolles Publikum zu haben, das kommt, um uns zu sehen, ist sehr ermutigend.
Seid ihr nervös, bevor ihr auf die Bühne geht?
Al: Da ist die Energie, man weiß, dass man vor Menschen stehen wird. Diese Energie und Aufregung muss man haben, sonst ist man auf der Bühne etwas gleichgültig und die Zuschauer merken das natürlich. Also ja, aufgeregt und nervös.
Auf eurem Album sind sehr persönliche Songs. Wie ist es für euch, das auf der Bühne zu präsentieren?
Alva: Ich denke man muss lernen, fast eine Rolle zu spielen. Man kann nicht zu viel drüber nachdenken, weil man sonst zu emotional wird.
Al: Als Zuhörer gibt es mir Kraft und es fühlt sich gut an, wenn ich mich mit einem Song emotional identifizieren kann. Dass jemand etwas erlebt hat, was ich womöglich auch schon erlebt habe. Wenn wir also Songs performen, egal wie persönlich sie eigentlich sind, gibt es immer jemanden, der das Gleiche fühlt.
Was macht ein gutes Konzert für euch aus?
Alva: Ein Publikum, das es genießt, die Songs mag und eine Energie zu ihnen aufbaut.
Al: Wenn du einen Raum zum Schweigen bringen kannst. Vor allem wenn es am Anfang in der Nähe der Bar etwas lauter ist, du fängst an zu spielen und in der Mitte des Songs sind alle ruhig und es ist ein spezielles Gefühl im Raum. Das ist sehr cool.
Ihr habt diese ganz bestimmte Chemie, die zwischen euch auf der Bühne herrscht. Wie entsteht sie?
Alva: Ich glaube wir haben einfach sehr viel Glück, dass wir zusammen singen können und unsere Stimmen so gut zusammenpassen. Es ist sehr aufregend, das auf der Bühne zu erleben.
Al: Wir spielen beide schon seit langer Zeit live Musik. Zutrauen ist eine große Sache als Performer. Wenn ich daran denke, wie ich zu Beginn war, ich habe mich so sehr weiterentwickelt wenn es darum geht, wie ich mich auf der Bühne gebe und wie ich vor Leuten performe. Wir machen das nun eine Weile zusammen und fühlen uns sehr relaxt, wenn wir gemeinsam auf der Bühne stehen. Und daraus wächst Zutrauen und hoffentlich Freude für die Zuschauer.
Wie habt ihr zwei euch kennengelernt?
Al: Ich bin nach Nashville gefahren, um ein Album zu machen und habe dort mit einem Freund von Alva Songs geschrieben. Einige Jahre später, als ich aus Nashville zurück war, ist er durch Großbritannien getourt und hat mich zu seiner Show in London eingeladen. Ich bin zu dieser Show gegangen und dort hat Alva mit ihm gesungen. Nach dem Auftritt haben wir uns unterhalten und er hat mir erzählt, dass Alva in Großbritannien lebt. Also haben wir beschlossen, gemeinsam Songs zu schreiben. Nicht mit dem Plan, jemals eine Band zu gründen, einfach nur ein bisschen Songwriting. Daraus ist alles entstanden.
Alva: Der Rest ist Geschichte, wie man sagt.
Stimmt es, dass Billy Bragg ein Fan von euch ist?
Alva: Ja. Das ist wunderbar.
Habt ihr ihn persönlich kennengelernt?
Alva: Ja. Er ist so reizend, er sollte als Premierminister kandidieren. Er ist einfach der Beste. Wir haben ihn vor zwei Jahren auf den UK-Americana-Awards getroffen. Er hat unseren Auftritt gesehen und kam danach zu mir und hat mir gesagt, wie gut ihm unsere Performance gefallen hat. Und dann hat er uns eingeladen, im nächsten Sommer auf seiner Bühne beim Glastonbury zu spielen. Ich war schockiert und habe überall nach Al gesucht. Er dachte, irgendwas sei fürchterlich schiefgelaufen oder jemand sei gestorben, weil ich so aufgeregt war und es ihm unbedingt erzählen wollte. Es war wunderbar. Einer dieser Momente, die ich nie vergessen werde.
Welche Künstler und Alben mögt ihr selbst am liebsten?
Alva: „Tapestry“ von Carole King ist für mich das beste Album aller Zeiten.
Al: Ich bin mit Musik von Bob Dylan, Eagles, auch Carole King und Joni Mitchell aufgewachsen. Aber ein Album, das mich wirklich dazu gebracht hat, ein Singer/Songwriter werden zu wollen, war „O“ von Damien Rice. Als es herauskam war ich beeindruckt davon, wie ungeschliffen und roh es war. Das Album habe ich geliebt.
Bei einem Auftritt in Manchester im Februar gab es diese Szene, als einer von euch mitten im Song husten musste und ihr anschließend vor lauter Lachen den Song abbrechen musstet. Wisst ihr das noch?
Al: Ja. Danke, dass du mich daran erinnerst.
Alva: Das war so lustig. Und das auch noch bei „Heartbeat“, einem unglaublich traurigen Song.
Wie geht ihr mit sowas um?
Al: Ich denke man muss realisieren, dass wir alle Menschen sind und solche Dinge passieren können. Die Zuschauer verstehen, dass es nicht zu 100 Prozent so läuft, wie du es dir erhofft hast. Und manchmal macht man eben Fehler.
Alva: Ich mag es, wenn Menschen beim Konzert Fehler machen. Es zeigt dir, dass sie auch Menschen sind. Und selbst wenn sie einen Song eine Million Mal gespielt haben, gibt es doch mal einen falschen Ton.
Wie schreibt ihr eure Songs?
Al: Das ist bei jedem Song anders. Manchmal starten wir mit einer Idee, über die zuvor gesprochen haben. Manchmal ist es etwas Musikalisches, auf dem Klavier oder der Gitarre. Wir wollten über Dinge schreiben, die uns interessieren und von denen wir glauben, dass sie auch den Zuhörer interessieren. Wir verstehen unsere Rollen nicht nur als Autoren, sondern auch als Schauspieler, um eine Geschichte zu schreiben, die sich wichtig und wahr anfühlt, auch wenn sie nicht aus einer persönlichen Erfahrung stammt.
Alva: Normalerweise beginnt es mit der Musik, aber manchmal auch nicht. Wir haben häufiger Songs geschrieben, die als Grundlage einen Rhythmus hatten. Damit wir nicht einen weiteren akustischen Gitarren-Walzer schreiben. Davon gibt es auf der Welt schon genug, also probieren wir etwas Neues aus. Es ist jedes Mal anders, das macht es für uns aufregend und hält uns frisch.
Ihr kommt aus Amerika beziehungsweise Großbritannien. Sollen wir über Politik sprechen?
Alva: Wenn du willst.
Welche Auswirkungen wird der Brexit auf eure Band haben?
Al: Er wird es uns viel schwerer machen, nach Deutschland zu kommen. Mehr Bürokratie und ich bin mir sicher, dass wir deutlich mehr Papierkram haben werden. Ich bin sehr traurig, dass wir die EU verlassen, ich finde sie war eine großartige Sache, die uns zusammengebracht hat. Hoffentlich schaffen wir es, daraus eine Erfolgsgeschichte zu machen. Aber für uns Musiker wird es das Leben mit Sicherheit schwerer machen.
Unterhaltet ihr euch in der Band über Politik?
Alva: Ja. Wir haben kürzlich einige Politik-Podcasts angehört. Wir reden über Politik und versuchen auf dem neuesten Stand darüber zu sein, was in der Welt passiert.
Al: Wir sind allerdings auch so schon sehr melancholische Menschen. Wenn wir zu sehr über die aktuellen Entwicklungen nachdenken, gibt uns das vielleicht den Rest.
Ihr habt bislang nur ein Album draußen mit rund einer halben Stunde Musik. Wie füllt ihr ein gesamtes Konzert wie am heutigen Abend damit?
Alva: Indem wir die Songs sehr langsam spielen… Wir haben drei EPs veröffentlicht, bevor wir das Album gemacht haben, davon spielen wir auch was. Außerdem einen Coversong.
Was sind eure Zukunftspläne? Wird es bald ein weiteres Album geben?
Alva: Wir schreiben gerade schon an unserem nächsten Album. Darauf wird der Fokus nach diesem Sommer liegen.
Al: Für uns ist es am wichtigsten, dass wir das gleiche Album nicht noch mal machen. Die Songs sollen eine Weiterentwicklung zeigen und trotzdem noch die Energie und Aufregung haben. Denn als es mit Lewis and Leigh anfing, hat sich alles aufregend und frisch angefühlt und ich möchte, dass das, was wir als nächstes machen, genauso aufregend ist. Das wird schwierig.
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