Kettcar – Gute Laune ungerecht verteilt (Review)

Kettcar veröffentlichen nicht allzu oft neue Alben. Mit „Gute Laune ungerecht verteilt“, sechster Longplayer seit Bandgründung, liefern sie aber erneut richtig stark ab.

Kettcar

Viereinhalb Jahre ist es her, dass Kettcar eine Bandpause auf unbestimmte Zeit angekündigt haben. Kurz danach kam Corona und eine Krise für viele, die mit ihrer Musik auf den Bühnen der Welt unterwegs sind. Die Auswüchse davon bekam die Hamburger Band auch noch mit, als sie das für Januar 2022 angekündigte Live-Comeback verschieben musste. Aber ansonsten war das Timing dann doch ziemlich gut. Und die Themen für neue Texte lagen auch auf dem Tisch.

Die Frage, ob Kettcar an ihr bislang letztes Werk „Ich vs. Wir“ mit Statement-Songs wie „Sommer ’89 (Er schnitt Löcher in den Zaun)“ oder „Wagenburg“ noch mal rankommen würden, waberte automatisch durch den Raum, als das erste neue Album seit fast sieben Jahren angekündigt wurde. Übrigens erst das sechste der Bandgeschichte – seit 2001 setzen Kettcar die Mitteilungsform Longplayer eher sparsam ein.

Die Haltung ist da – natürlich

Der Alltagsrassismus, der in der ersten Single „München“ (mit Vocal-Unterstützung von Chris Hell von FJØRT) beschrieben wird, ist schmerzhaft on point. „Doug & Florence“ behandelt die Klassenutopie und die nur vermeintliche Gleichheit der Menschen. Und „Kanye in Bayreuth“ wird zu einem Plädoyer dafür, Künstler und Werk nicht zu trennen – namentlich werden hier unter anderem Morrissey (an dessen Schlachtruf „Unite and take over“ sich Kettcar kurz zuvor noch bedient hatten), Louis C.K. und Woody Allen genannt. Dass Kettcar Indie-Rock mit Haltung machen, wissen wir schon lange – und auch auf „Gute Laune ungerecht verteilt“ packen sie die Zuhörenden damit voll und ganz.

Der Opener „Auch für mich die 6. Stunde“ karikiert nebenbei die Aussage des „politischsten Albums“, besteht aber insgesamt aus so vielen aufgeladenen Zeilen, dass man sie innerhalb der vier Minuten kaum alle erfassen kann – offenbar mit Absicht, weil es auch der Pressetext betont. Aber auf jeden Fall mit Wirkung. Doch auch Betrachtungen im Supermarkt wie bei „Einkaufen in Zeiten des Krieges“ können viel Melancholie, gepackt in Gesellschaftskritik, beinhalten.

Auch das Ende des Albums ist intensiv

Man muss bei den so starken und pointierten Texten aufpassen, dass man die Musik nicht unerwähnt lässt. Denn tatsächlich liefert die Band mehr als nur ein gutes Fundament für die eindringlichen Worte von Sänger Marcus Wiebusch. Besonders das bereits erwähnte „München“ fällt dabei auch durch eine gewisse Dreckigkeit auf.

Selbst zum Ausklang wird „Gute Laune ungerecht verteilt“ noch mal intensiv: „Zurück“ ist ein sehnsüchtiges, durchaus intim vorgetragenes Lied. Und „Ein Brief meines 20-jährigen Ichs (Jedes Ideal ist ein Richter)“ ist genau das, was der Songtitel vermuten lässt – und damit noch mal schwere Kost am Ende.

 

Albuminfos Kettcar – Gute Laune ungerecht verteilt

Kettcar - Gute Laune ungerecht verteiltKünstler: Kettcar
Albumname: Gute Laune ungerecht verteilt
VÖ: 05.04.2024
Label: Grand Hotel van Cleef
kettcar.net

 

Fotos: Andreas Hornoff und Promo

 

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