Auch in diesem Jahr haben sich einige Wochen vor dem großen Finale des Eurovision Song Contest viele der diesjährigen Künstler zum Vorab-Konzert in Amsterdam getroffen. Wir analysieren die Auftritte jedes einzelnen Kandidaten beim Eurovision in Concert 2019.
Jonida Maliqi – Ktheju tokës (Albanien)
Selbst ein seltsames gelbes Outfit konnte nicht davon ablenken, dass Jonida Maliqi einen gesanglich starken Auftritt hinlegte. Auch wenn die Veranstalter sie erst gegen Ende kurz vor dem großen Finale platziert hatten, enttäuschte sie nicht und machte Hoffnung auf ein weiteres ESC-Finale mit Albanien.
Srbuk – Walking Out (Armenien)
Der Song von Srbuk ist ungewöhnlich, das zeigte sich auch in Amsterdam. Der kraftvolle Refrain saß zwar, aber ansonsten ließ die Performance doch etwas zu wünschen übrig.
Kate Miller-Heidke – Zero Gravity (Australien)
„Zero Gravity“ packt die Stile von zirka fünf Songs knallhart in einen. Das wird vor allem dann seltsam, wenn das zuvor in Pop getränkte Publikum versucht, den Opern-Gesang im Refrain mitzukieksen. Im Gegensatz zu den Leuten in der Halle traf Kate Miller-Heidke die Töne und untermauerte ihre Ambitionen, Australien zurück in die Top Ten zu führen.
Paenda – Limits (Österreich)
Österreich geht mit dem Song hohes Risiko und das bei einem solchen Konzert gleich doppelt. Denn bei der Balladendichte des Abends hatte Paenda auch mit dem unruhigen Publikum zu kämpfen. Dennoch deutete sie großes Potenzial an, gesanglich stimmte alles und mit entsprechender Inszenierung ist in Tel Aviv eine Überraschung möglich.
Zena – Like It (Weißrussland)
Das Küken des diesjährigen Eurovision Song Contest legte mit einem Teenie-Song einen Teenie-Auftritt an. Niedlich, poppig und keineswegs so schlecht, wie es die aktuellen Wettquoten glauben lassen. Ein Finaleinzug in Israel wäre dennoch eine große Überraschung.
Eliot – Wake Up (Belgien)
Sieht aus wie der junge Jens Weißflog, singt aber deutlich besser (behaupten wir jetzt einfach mal). Wirkte alleine auf der großen Bühne allerdings recht verloren, sein Song „Wake Up“ wird in Tel Aviv durch die Inszenierung überzeugen müssen, wenn er das Halbfinale überstehen will.
Lake Malawi – Friend Of A Friend (Tschechien)
Zeigten genau das, was man nach dem Videoclip von ihnen erwartet hatte: eine entspannte und leicht schluffige, aber sehr gut gelaunte Indie-Band. Machen mit Charisma und Charme den etwas zu langweiligen und seichten Song durchaus wett.
Leonora – Love Is Forever (Dänemark)
Apropos seichter Song: Die junge dänische Sängerin Leonora versuchte in Amsterdam, das Publikum zum Mitsingen zu animieren, anstatt selbst einen starken Auftritt hinzulegen. Kriegt aber einen Pluspunkt, weil wir Menschen mögen, die in warmen geschlossenen Räumen eine dicke Wintermütze tragen.
Darude & Sebastian Rejman – Look Away (Finnland)
Darude hat als DJ auf der Bühne nichts zu tun, tut aber so als täte er etwas. Dazu arbeitet sich Sänger Sebastian Rejman etwas gequält an den Lyrics ab, während er zumeist dasteht, als wolle er in den nächsten Sekunden für die portugiesische Nationalmannschaft einen Freistoß in den Winkel jagen. Die beiden bekamen in Amsterdam vor allem wegen ihrer Uptempo-Nummer Applaus, die im TV aber keinen ähnlichen Effekt erzielen dürfte.
Oto Nemsadze – Keep On Going (Georgien)
Kraftvoller Sänger, dem es leider etwas an Ausstrahlung fehlt. Zudem hat er das Pech, dass die Freunde der düsteren Musik beim diesjährigen ESC in Scharen zu Hatari aus Island abwandern werden.
S!sters – Sister (Deutschland)
Waren es technische Probleme oder war es die Aufregung? Wahrscheinlich eine Mischung aus beidem. Carlotta und Laurita waren in der Halle nicht immer gut zu hören und nicht alle Einsätze passten. Die Bühnenshow wirkte ohne den Drehteller aus dem Vorentscheid nicht wirklich ausgereift. Während sich die beiden privat immer mehr wie echte Schwestern präsentieren, wirken sie auf der Bühne leider noch wie entfernte Verwandte.
Katerine Duska – Better Love (Griechenland)
Eine der Enttäuschungen des Abends: Schlechter Gesang, schlechter Sound und eine Erkältung waren schlicht eine richtig miese Kombination. Das Finale in Tel Aviv steht so für Griechenland tatsächlich auf der Kippe.
Joci Pápai – Az em apam (Ungarn)
Der ESC-Rückkehrer lieferte ab: routiniert und stimmlich sicher, vielleicht aber etwas zu sehr in sich gekehrt, um wirklich was in den Zuhörern auszulösen.
Hatari – Hatrið mun sigra (Island)
Dystopie im Fetisch-Look: Der isländische Beitrag sticht in diesem Jahr in jeder Hinsicht heraus. Hatari, nur zu zweit nach Amsterdam gereist, präsentierten eine durchchoreografierte Show, nachdem sie auch schon beim Presseevent psychopatischen Charme versprüht hatten. Sollte spätestens jetzt auf jeder Favoritenliste stehen, ein Sieg in Tel Aviv könnte allerdings an den Jurys scheitern. Oder daran, dass Hatari wegen irgendeines Skandals noch vorab aus dem Wettbewerb fliegen.
Sarah McTernan – 22 (Irland)
Sehr spät am Abend auf die Bühne geschickt, ging Sarah McTernan mit ihrem niedlichen Popsong „22“ ziemlich unter. Eine Verbindung zum Publikum konnte sie nicht aufbauen, es ist fraglich, ob ihr das in Tel Aviv besser gelingen wird. Keine Werbung für das zuletzt beim ESC so gebeutelte Irland.
Kobi Marimi – Home (Israel)
Hatte die undankbare Aufgabe, den Abend zu eröffnen und direkt mit technischen Problemen zu kämpfen. Seine etwas zu schmalzige Ballade hatte er gesanglich sehr gut im Griff, nicht mehr, nicht weniger.
Jurij Veklenko – Run With The Lions (Litauen)
Jurij aus Litauen hat eine sympathische Ausstrahlung – das war aber auch schon alles, was man positives über den Auftritt sagen kann. Kein guter Gesang, der Song ist leider ohnehin nicht besonders stark.
Anna Odobescu – Stay (Moldau)
Die Ballade von Anna Odobescu könnte klischeehafter kaum sein. Immerhin: Gesanglich hat sie den Track komplett unter Kontrolle. Ob sie damit genügend Menschen beim großen ESC erreichen wird, ist dennoch fraglich.
D Moll – Heaven (Montenegro)
In vielen Wetten liegen D Moll aktuell auf dem allerletzten Platz. Und in Amsterdam zeigten sie leider, warum das so ist. Der Song ist langweilig, jeder der sechs Sänger ist auf der Bühne vor allem mit sich selbst beschäftigt. Schade.
Duncan Laurence – Arcade (Niederlande)
Wenn die Niederlande die Inszenierung in Tel Aviv nicht komplett in den Sand setzt, kann sie sich schon mal nach einer geeigneten Location für den ESC 2020 umschauen: Duncan Laurence überzeugte mit seinem Auftritt beim Eurovision in Concert 2019 auf ganzer Linie und untermauerte seinen Favoritenstatus für Tel Aviv. Heimvorteil und letzter Startplatz kamen ihm dabei natürlich zugute, aber er wusste beides auch perfekt für sich zu nutzen.
KEiiNO – Spirit In The Sky (Norwegen)
KEiiNo brachten Schwung in die Afas-Live-Arena. Song und Auftritt waren sehr sympathisch, der „Joik“-Gesang sticht hervor und gibt allem noch mal eine besondere Note. Die Final-Qualifikation in Tel Aviv sollte Formsache sein.
Tulia – Fire Of Love (Pali się) (Polen)
Das Wort „Schreigesang“ lässt bereits vermuten, dass man als Zuhörer von „Fire Of Love“ recht leicht Kopfschmerzen kriegen kann. Aber nicht nur deshalb macht das Quartett auf sich aufmerksam und wird seine Fans finden – auch in Amsterdam gab es davon sehr viele.
Ester Peony – On A Sunday (Rumänien)
Gehüllt in viele große Seifenblasen brachte Ester Peony ihren Song „On A Sunday“ sehr gestenreich auf die Bühne. Ausdrucksstark und zumindest mit einer kleinen Chance auf den Finaleinzug.
Serhat – Say NaNaNa (San Marino)
Der ungekrönte König von San Marino versucht es nach 2016 erneut. Dieses Mal mit einer Gute-Laune-Nummer, die er in Köln geschrieben hat – der dortige Karneval dürfte der einzige Ort der Welt sein, an dem der Song „Say NaNaNa“ intellektuelle Überforderung hervorruft. Gesanglich war Serhat noch nie der Beste, der miese Sound in der Halle kam hinzu. Und trotzdem hatten alle Spaß. Der Sugardaddy der ESC-Bubble muss in diesem Jahr einfach das Finale erreichen, sonst ist dieser Welt wirklich nicht mehr zu helfen.
Nevena Bozovic – Kruna (Serbien)
Nevena Bozovic konnte sich in Amsterdam nicht in den Vordergrund spielen, weder durch ihre Performance, noch durch ihren Song. Das Finale wird höchstwahrscheinlich ohne sie stattfinden.
Miki – La Venda (Spanien)
Sah mit T-Shirt und umgedrehter Mütze aus wie ein schüchterner Tourist am Ballermann, hüpfte allerdings wie ein Flummi über die Bühne. Sein Song war eine willkommene Abwechslung zu den vielen Balladen und wird das auch in Tel Aviv sein. Unverständlich, warum Spanien in diesem Jahr nicht höher gehandelt wird.
Luca Hänni – She Got Me (Schweiz)
Luca Hänni, einer der Mitfavoriten in diesem Jahr, nutzte seine Erfahrung als Show-Profi und tanzte selbstbewusst über die Bühne. Allerdings fehlten ihm dabei weitere Tänzer und auch die Töne saßen noch nicht perfekt. Hat alle Anlagen und wird mit entsprechender Inszenierung der Mikolas Josef dieses Jahrgangs.
Michael Rice – Bigger Than Us (Großbritannien)
Sein Song klingt, als hätte ihn ein gelangweilter Algorithmus in der Mittagspause geschrieben: uninspirierter Radio-Pop, der sich (wie so viele der britischen Beiträge der vergangenen Jahre) längst selbst überlebt hat. Allerdings holte Michael Rice live viel raus und überzeugte vor allem gesanglich.
Hier gibt es alle Songs des ESC 2019 zum Anhören.
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Foto: Eurovision in Concert