Johnossi haben 2017 gleich doppelt geliefert: mit dem Album „Blood Jungle“ und der EP „Live in Berlin“. Zudem waren sie ausgiebig auf Tour. Bei der Gelegenheit haben wir John Engelbert und Oskar „Ossi“ Bonde vor ihrem Auftritt im Dezember in Karlsruhe zum Interview getroffen.
bleistiftrocker.de: Ihr seid gerade auf Deutschland-Tour. Wie läuft es?
Ossi: Richtig gut. Wir hatten fantastische Shows, es sind viele Menschen zu den Konzerten gekommen. Wir touren immer gerne in Deutschland, es macht immer sehr viel Spaß, jeder passt gut auf uns auf und ist sehr nett zu uns. Und das Bier ist fantastisch.
Wie war das Jahr 2017 für euch?
John: Es war gut. Wir haben unser fünftes Album im März veröffentlicht und touren eigentlich seitdem. Es war ein hektisches und lustiges Jahr, lieb, interessant, wild. Genau so, wie wir es wollen.
Ihr habt gerade eine Live-EP veröffentlicht. Wie kam es zu der ungewöhnlichen Songauswahl?
John: Wir haben das rausgesucht, was unserer Meinung nach am besten klang. Du kannst die Essenz einer Live-Show nie einfangen, wenn du nicht da bist. Wenn es eine solche Live-Aufnahme ist und veröffentlicht wird, ist es trotzdem nicht, als wärst du dort. Das ist gut, so soll es ja sein. Vielleicht die letzte Sache auf der Welt, bei der du wirklich körperlich anwesend sein musst. Wir haben ein paar Stücke rausgesucht, von denen wir dachten, dass sie in dem Format des Live-Albums funktionieren würden. Und das sind dann diese Songs geworden.
Wir haben in unserer Review kritisiert, dass ihr keine komplette Live-Show veröffentlicht habt, sondern nur eine EP. Warum nur sechs Songs?
John: Wir haben natürlich nicht nur sechs Songs auf dem Konzert gespielt, sondern viele mehr.
Ossi: Das war aber nicht der Punkt, es zu veröffentlichen. Wenn du ein komplettes Konzert erleben möchtest, solltest du selbst hingehen. Das war eher eine Art verfrühtes Weihnachtsgeschenk. Wir hatten nicht wirklich die Zeit, ein komplettes Live-Album zu machen, denn da gibt es noch viel dran zu tun. Es war also entweder nichts oder eben diese sechs Songs. Ich denke, dass es so richtig gut geworden ist.
John: Ich glaube, es fällt den meisten Leuten gar nicht auf, aber wenn du beispielsweise eine Live-CD von Green Day hörst, ist es nicht so, wie es wirklich war. Vieles wird danach im Studio noch mal aufgenommen. In gewisser Weise betrügst du damit die Zuhörer. Wir wollten, dass es genau so klingt, wie es war. Nichts wurde angefasst. Vielleicht veröffentlichen wir zukünftig mehr Live-Zeug.
Wie ist es denn für euch, ältere Songs zu spielen? Macht ihr das immer noch gerne oder habt ihr von manchen auch genug?
Ossi: Ehrlich gesagt gibt es Zeiten im Tour-Leben, in denen du ein bisschen die Nase voll von manchen Songs hast. Aber sobald du die Reaktion des Publikums siehst, ist es das immer wert. Natürlich spielen wir einige Songs seit 12 oder 13 Jahren, also geben sie dir vielleicht nicht so viel Energie wie es die neuen Songs tun. Aber wir wollen natürlich trotzdem viele alte Songs spielen, weil sie uns viel bedeutet haben und vor allem auch dem Publikum. Wir versuchen, die alten Songs auf der Setlist zu behalten und von jedem Album etwas zu spielen, von jeder Johnossi-Ära, sozusagen.
John: Das passiert alles in Wellen. Du hast genug von manchen Songs, lässt sie für einige Zeit liegen und auf der nächsten Tour kramst du sie vielleicht wieder hervor und sie sind wieder interessant. Es gibt schlimmere Dinge, als noch mal „Man Must Dance“ zu spielen. Ich kann mich an eine Deutschland-Tour erinnern, auf der wir „Man Must Dance“ nicht gespielt haben. Einfach, weil wir genug davon hatten. Aber dann bekamen wir von allen soviel Ärger deswegen. Und da haben wir verstanden, dass es unmöglich von uns war, den Songs nicht zu spielen, denn die Leute haben verdammte 40 Euro bezahlt, um uns zu sehen. Und es ist vielleicht der einzige Song, den sie von uns kennen.
Welcher Song ist denn euer aktueller Live-Favorit?
John: Ich denke, in diesem Jahr war es ein Song namens „Alone Now“ vom „Transitions“-Album. Und ich spiele gerade auch sehr gerne „Mavericks“. Die meisten Songs machen wirklich Spaß zu spielen.
Wie habt ihr euch denn im Laufe eurer fünf Albums weiterentwickelt?
John: Keine Ahnung. Sag du es mir.
Anders gefragt: Haben sich eure Ansätze verändert?
John: Ja, auf jeden Fall. Du hast eine Idee, wie du es machen willst. Und dann geht es im Prozess des Songschreibens und der Aufnahmen immer in seine ganz eigene Richtung. Man endet selten genau da, wo man es vorher erwartet hatte. Aber wir verlassen das Studio nie, bevor wir hundertprozentig zufrieden sind und stolz darauf, was wir gemacht haben. Und selbst, wenn der Stolz nur etwa zwei Wochen anhält und du dir das Album gar nicht mehr anhören möchtest, dann ist das okay. Wir wollen uns einfach die ganze Zeit weiterentwickeln. Ich hatte aber nie das Bedürfnis, uns zu analysieren. Davon haben wir nicht viel. Es ist besser, Dinge einfach zu machen und sich darüber zu wundern, warum man sie macht.
Es fällt auf, wie viel Lärm und Energie ihr als Duo auf die Bühne bringt. Welche Erklärung habt ihr dafür?
Ossi: Der Sound hat sich natürlich über die Jahre weiterentwickelt. Aber am Ende geht es um die Energie, die bei unserem Spiel rüberkommt. Wir spielen sehr physisch und hart. Wir haben etwas mit Frequenzen experimentiert, aber das hat nichts mit einem großen Song zu tun. Es geht darum, wie wir zusammen spielen und mit unserem Instrumenten. Seit kurzem haben wir ein weiteres Element [einen zusätzlichen Musiker] mit auf der Bühne. Damit können wir den Songs eine weitere Dimension verleihen, die wir vielleicht auch schon beabsichtigt hatten, als wir sie geschrieben haben. Aber trotzdem, wann immer wir live spielen, adaptieren wir die Songs zu Live-Versionen – energetischer, härter. Ich würde sagen, dass das näher an dem dran ist, was wir wirklich wollen. Das kannst du nie wirklich auf einem Album einfangen, also versuchen wir das auch gar nicht. Das Live-Erlebnis ist also immer anders als einfach die Album-Version zu hören.
John: Ich sehe den aufgenommenen Song immer als eine erste Version, die sich dann innerhalb der kommenden Jahre weiterentwickelt, zu etwas neuem. Die ultimative Version unserer Songs ist vermutlich die Live-Version nach ungefähr einem Jahr. Um zu deiner Frage zurückzukommen, wie wir das machen: Ich denke, wir haben das Privileg, in die Energie unserer Musik einzutauchen. Das ist fast eine spirituelle Sache, als würdest du eine Energie-Zone betreten. Wenn du einmal drin bist, ist es eine tolle Energie-Blase, von der du dich ernährst. Ich weiß nicht, ob das viele Bands machen, aber bei uns ist es so und es ist ein großes Kapital für uns.
Wir sitzen gerade backstage und es dauert noch einige Stunden bis zu eurem Auftritt. Wie verbringt ihr die Zeit normalerweise?
Ossi: Heute haben wir unsere Wäsche gemacht, da habe ich mich sehr drauf gefreut. Manchmal gibt man natürlich auch Interviews. Ich persönlich ruhe mich aus oder gehe spazieren. Im Hinterkopf hat man aber immer die bevorstehende Show. Du versuchst, dich langsam immer mehr auf die Show zu fokussieren. Und ein oder zwei Stunden vor dem Auftritt beginnst du dann mit dem Aufwärmen. Der gesamte Tag ist also mehr oder weniger umgeben von der Show, die du am Abend spielst. Für mich funktioniert das so richtig gut. Andere Musiker gehen auf Exkursion, schauen sich die Stadt an, gehen Mittagessen und sowas. Aber ich kann mich nicht auf andere Dinge als die Show am Abend konzentrieren. Denn dafür sind wir hier. Ich habe heute schon viel Zeit auf diesem schönen grünen Sofa hier verbracht.
Ihr seid nun schon viele Jahre zusammen auf Tour. Gibt es auch mal Streit?
Ossi: Nein, nicht wirklich. Alle sind sehr klug, man muss sich nicht streiten. Jeder weiß, was er zu tun hat. Wenn es irgendein Problem gibt, dann reden wir immer darüber. Das ist kein großes Ding. Wir haben eine fantastische und professionelle Crew dabei, richtig gute Freunde von uns, eine richtige Familie. Ich genieße es gerade richtig, auf Tour zu sein. Natürlich geht es auf und ab, aber gerade sind wir in einer sehr guten Phase und alle sind glücklich. Außerdem spielen wir richtig gute Live-Shows und darum geht es schließlich.
Ihr seid ja nun schon lange im Geschäft und damit sowas wie Veteranen der schwedischen Musik-Szene…
John: … Das ist ja wunderbar zu hören. Gebt mir sofort einen Award für mein Lebenswerk!
Das sollte eigentlich die Einleitung zu folgender Frage sein: Gibt es neue Bands aus Schweden, die wir auf dem Zettel haben sollten?
John: Es gibt da eine Frau namens Linn Koch-Emmery, die auf dieser Tour bei uns der Support ist. Wir haben sie erst vor einigen Monaten entdeckt. Sie ist wirklich gut. Sie schreibt richtig gute Songs mit starken Melodien. Ihr solltet sie euch anhören. Aber neue Bands aus Schweden?
Ossi: Es gibt nicht mehr wirklich viele Bands. Das ist richtig schade. Die Nominierten bei Award-Shows sind eigentlich nur noch Künstler oder DJs. Daran ist nichts auszusetzen, aber es fehlen eben die Bands. Eine Gruppe von vier oder fünf Freunden, die einfach zusammen spielen und bei denen die Chemie stimmt. Mir fällt da tatsächlich gerade keine ein. Ich gucke nicht in den Rückspiegel und sage, dass früher alles besser war. Aber ich hoffe wirklich, dass die Band-Ära wiederkommt. Das ist die Art von Musik, die ich am liebsten höre.
Sucht ihr eure Support-Acts denn selbst aus?
Ossi: Ja. Es ist wichtig, denn die Support-Touren, die wir selbst gemacht haben, hatten eine große Wirkung. Wenn du eine Band siehst, die du wirklich gut findest und du kannst etwas für sie tun, dann ist das eine klare Sache.
Wie werdet ihr die Weihnachtstage verbringen?
Ossi: Normalerweise zuhause in Schweden mit Familie und Freunden, aber dieses Jahr fliege ich mit meiner Familie nach Los Angeles.
John: Ich feiere im Haus meines Bruders mit der gesamten Familie. Das wird sehr schön.
Welche Pläne habt ihr für die Zukunft?
John: Unser Hauptgedanke ist gerade, dass es nicht wieder vier Jahre bis zu unserem nächsten Album dauern soll. Wir wollen dieses Mal ein bisschen schneller werden. Wir haben schon damit begonnen, neue Songs zu schreiben. Und wir spielen natürlich noch mehr Shows.
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CD-Review „Live in Berlin“
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