Rick Astley war in den Achtzigern ein Superstar, dann zog er sich aus dem Musikbusiness zurück. Seit einigen Jahren steht er wieder auf der Bühne, zuletzt veröffentlichte er das Album „Beautiful Life“. Wir haben uns vor dem Konzert in der Frankfurter Batschkapp mit ihm unterhalten.
Im Interview mit bleistiftrocker.de spricht der 52-jährige Brite unter anderem über seinen Tagesablauf auf Tour, seine neuen Songs, das Internet und natürlich über Rickrolling.
bleistiftrocker.de: Du bist heute später an der Halle angekommen als geplant. Was ist passiert?
Rick Astley: Ich fahre häufig selbst mit dem Auto zu meinen Konzerten und hatte Freunde aus England da, die ich von München aus nach Stuttgart zum Flughafen gefahren habe. Von dort bin ich weiter nach Frankfurt. Und der Verkehr war heftig, also war das vielleicht eine blöde Idee. Aber Spaß hatten wir trotzdem.
Hast du so etwas wie einen festen Tagesablauf, wenn du auf Tour bist?
Ich versuche vor allem, so viel wie möglich zu schlafen. Es ist das Schlimmste für deine Stimme, wenn du nicht schläfst. Alkohol trinken ist wahrscheinlich das Zweitschlimmste. Aber meine Frau ist auch dabei und gleichzeitig meine Managerin, das verursacht auch Probleme, wenn es um das Schlafen geht. Wir haben entschieden, dass wir wahrscheinlich bald getrennte Zimmer nehmen werden. Denn sie ist auch noch Filmproduzentin und spät nachts noch wach, während ich schon schlafen müsste. Und wenn ich morgens wach bin und schon aufstehen möchte, schläft sie noch und ich denke, ich müsste sie noch eine halbe Stunde weiterschlafen lassen. Okay, du hast nach einem festen Tagesablauf gefragt: In Wahrheit gibt es wahrscheinlich gar keinen. Es ist nur der Versuch, so viel Schlaf und Ruhe wie möglich zu bekommen. Ich versuche auch, Dinge auf Tour zu machen. Man sieht die Städte auf dem Plan und denkt: Großartig, da gibt es dieses Museum oder jene Galerie, aber in 80 Prozent der Fälle kriegt man das sowieso nicht hin.
Nicht mal mehr eine Stunde, dann geht es für dich hier in Frankfurt schon auf die Bühne. Bist du denn noch nervös vor Auftritten?
Ja, ich werde schon nervös. Aber nicht, weil ich das tue, was ich eben tue. Eher deshalb, weil wir einige Songs vom neuen Album „Beautiful Life“ spielen und ich die Texte noch nicht richtig draufhabe – obwohl ich sie selbst geschrieben habe. Das ist aber vielleicht schon ein Jahr oder zumindest einige Monate her. Und dann machst du es zum ersten Mal vor Publikum.
Hast du die Songtexte auf der Bühne dabei?
Für die neuen Stücke ja. Die alten kenne ich alle. Aber wenn ich ins Publikum schaue, denke ich auch an andere Dinge. Wenn da jemand mit einem T-Shirt aus dem Jahr 1987 steht oder so. Und schon habe ich die Texte auf einmal vergessen.
Du hast deine neuen Songs schon angesprochen. „Beautiful Life“ ist ein sehr fröhliches Album. Ist es schwierig, solche Songs zu schreiben?
Die fröhlichsten Songs sind am schwierigsten zu schreiben, finde ich. Wobei ja selbst der Song „Beautiful Life“ eine versteckte Botschaft hat – „it’s a beautiful life, but we have got to find a way to prove it“. Wenn du die Nachrichten anschaust oder viele andere Dinge im Leben, besonders in den letzten paar Jahren, ist es da zum Programm geworden, zu sagen: Ihr müsst Angst haben, macht nicht dies und das, bleibt daheim, schaut Netflix, trinkt mehr Alkohol und träumt bloß nicht. Da hänge ich aber auch mit drin, mir geht es genauso, wenn ich die Nachrichten sehe. Ironischerweise soll das Internet ja eine weltweite Sache und die Wahrheit sein, aber genau das ist es nicht mehr, oder? So hat es mal angefangen, aber jetzt eben nicht mehr. Wir sind ja auch viel unterwegs. Und dann schaust du auf eine Webseite, fährst über die Grenze und auf einmal sieht sie ganz anders aus. Oder du fährst von Amerika nach Kanada und guckst gerade einen Film, den du dann auf einmal nicht weiterschauen kannst.
Als du in den Achtzigern angefangen hast, war an das Internet und Social Media in der heutigen Form natürlich noch nicht zu denken. Magst du es, auch als Promo-Werkzeug?
Für sowas wie Musik ist es sehr gut. Oder wie bei dir mit dem Interview jetzt. Jemand in Australien kann online gehen und es lesen. Früher war das nahezu unmöglich, dass es dort ankommt. Übrigens selbst, wenn du es auf Deutsch schreibst – dann jagen sie es in Australien einfach durch den Google-Übersetzer. Das ist großartig, vor 30 Jahren wäre das fast Science-Fiction gewesen. Aber wenn es der amerikanische Präsident ist, der sich über irgendwas direkt im Internet aufregt, dann ist es eher gruselig.
Aber wenn du als Musiker nicht in den sozialen Netzwerken unterwegs bist, dann existierst du ja fast nicht, sozusagen.
Es kommt darauf an, wie alt du bist. Ich will nicht sagen, dass mein Publikum nicht auf Social Media ist, natürlich ist es das, jeder ist das. Aber ich glaube nicht, dass es ihnen richtig wichtig ist, wie beispielsweise den Fans von Justin Bieber oder Lady Gaga. Es kann aber natürlich trotzdem sein, dass auch welche von ihnen täglich meine Seiten besuchen.
Aber sie sind vielleicht keine Leute, die unbedingt viel Musik streamen.
Ja, wahrscheinlich. Ich mache das auch nicht so häufig. Okay, für einen Typen in meinem Alter schon. Aber ich habe mir das mal ein bisschen angeschaut. Wenn du zum Beispiel auf Spotify gehst und nachschaust… Nehmen wir irgendeinen Künstler, der in letzter Zeit sehr viele Streams hatte, vielleicht Beyoncé. Sie ist einer der größten Stars der Welt, aber wenn du dir Songs von ihr von vor sechs oder sieben Jahren raussuchst, sind die Zahlen nicht so hoch. Die Menschen gehen also nicht zurück, wenn sie Dinge streamen. Sie streamen das, was gerade aktuell ist, weil es vielleicht gerade auf Spotify und auch in irgendwelchen Playlisten ist. Natürlich gehen Beyoncé-Fans auch auf Spotify und streamen ihre älteren Sachen, aber der Rest von uns ist da eher nicht so motiviert. Und selbst ihre Fans interessieren sich wahrscheinlich doch auch ein bisschen mehr dafür, was sie gerade macht.
Wie hörst du denn Musik?
Es ist eine Mischung aus allem. Ich höre tatsächlich auch noch manchmal Radio. Das hat aber auch damit zu tun, dass ich mit Radio aufgewachsen bin und die Interaktion eines DJs mag. Es gibt in Großbritannien einige Shows, die ich mir anhöre, weil ich eben die Leute mag, die sie machen. Und selbst, wenn sie dann einige Songs spielen, die mir nicht gefallen, höre ich trotzdem weiterhin zu.
Es hat also mehr mit den Personen zu tun?
Ja, ich denke schon. Und natürlich mit den Songs, die sie spielen. Die BBC hat ja zum Beispiel viele verschiedene Kanäle, BBC 1 ist der junge Kanal, wenn du so willst. Da wäre ich vor vielen Jahren gespielt worden. Und BBC 2, der am meisten gehört wird, ist der, bei dem ich jetzt gespielt werde. Ich glaube, sowas wie BBC Radio 2, zumindest in genau dieser Art, gibt es auf der ganzen Welt sonst nicht, da haben wir wirklich Glück. Wenn es einen älteren Künstler gibt, spielen sie sein neues Album, wenn sie es mögen. In Deutschland, Amerika und so weiter werden vor allem meine älteren Songs gespielt, aber mit meinen neuen Sachen ist es fast unmöglich.
Auf deinem Album „50“ vor zwei Jahren hast du erstmals angefangen, deine Musik ganz alleine zu machen…
Da habe ich aber erst mal kein Album gemacht. Es war zunächst einfach ein bisschen Musik für mich, um meinen 50. Geburtstag zu feiern, und um die Fans im Internet wissen zu lassen, dass ich noch nicht tot bin.
Und dann war aber auf einmal doch ein ganzes Album da.
Ja. Und es ging in Großbritannien durch die Decke. Ich habe es „50“ genannt, natürlich auch, weil ich 50 war. Aber auch ein bisschen aus Spaß, weil Adele ihre Alben „19“, „21“ und „25“ genannt hat. Da habe ich aber nicht gedacht, dass jemand wirklich den Titel zu Gesicht bekommen würde. Der Prozess war aber nicht nach dem Motto: ‚Hey, ich mach jetzt meine eigene Platte.‘ Ich habe einfach Musik gemacht, um mal wieder etwas anderes zu machen. Und ehrlich gesagt war ich es gar nicht alleine, einige Freunde waren dabei, meine Frau auch. Und wir haben zusammen entschieden, dass es gut ist und wir etwas damit machen sollten.
An welchem Punkt spielst du deine Songs denn anderen vor?
Ich hatte schon vier oder fünf Songs gemixt, ehrlich gesagt. Denn das Letzte, was ich wollte, war ein Plattenlabel, das kommt und sagt: ‚Hey, erinnerst du dich an diesen alten Typen mit dem großen Hit? Wir sollten ein Album machen, weil wir sicher ein paar davon verkaufen, wegen der ganzen Rickrolling-Geschichte und blablaba.‘ Ich wollte, dass jemand die Musik hört und sagt: ‚Oh, er macht genau das, was er möchte.‘
Hast du denn viele solcher Angebote von Plattenfirmen bekommen?
Ja, einige. Aber die kann ich gar nicht ernst nehmen. Das Beste, was du an diesem Punkt in deinem Leben machen kannst, ist einfach zu sagen: ‚Das hier ist es, was ich mache.‘ Und die Tatsache, dass ich alles schreibe und spiele, unterstreicht das noch mal. Mehr geht ja gar nicht.
Du hast 2001 schon mal eine Art Comeback gestartet …
… Es war eher ein kleines Projekt, würde ich sagen.
Ich mochte damals jedenfalls den Song „Sleeping“ vom Album „Keep It Turned On“ sehr und habe mich gefragt, warum er nicht auf deiner Setlist zu finden ist.
Auf der letzten UK-Tour haben wir ihn gespielt. Aber ehrlich gesagt ist es wirklich schwer, eine Setlist zu machen. Ich möchte mich zufriedenstellen, aber natürlich auch das Publikum. Und ich möchte auch nicht, dass meine beiden neuesten Alben so enden wie das, auf dem damals „Sleeping“ drauf war. Ich möchte, dass die Leute wissen, dass sie existieren. Du weißt vielleicht, dass es „Keep It Turned On“ gibt, aber nicht viele tun das.
Natürlich muss ich dir auch noch eine Rickrolling-Frage stellen: Trauen sich Leute, dich zu rickrollen?
Ab und zu machen das Leute im Fernsehen oder im Radio, aber das ist für mich vollkommen okay. Ich verstehe, warum es lustig ist und natürlich auch, warum du mich danach fragen musst.
Du hast aber niemandem im Freundeskreis, der dir diese Art Links schickt?
Nicht mehr. So hat es angefangen, als ich noch nicht wusste, was es eigentlich ist. Was sie allerdings machen, ist, mir zu schreiben, wenn irgendwer wieder irgendwas gemacht hat. Zum Beispiel diese „Rick for President“-Sache. Wenn jemand sowas sieht, besonders Freunde, die auf der ganzen Welt verstreut sind, bekomme ich das geschickt. Aber sie wissen auch, dass es eigentlich genug ist. Ich meine, es hat mir wirklich gut getan, aber ich muss nicht mehr wirklich irgendwas davon sehen. Aber auf der anderen Seite: Letztes Jahr waren wir in Japan und da durfte ich mit den Foo Fighters singen – ich würde nicht sagen, dass es komplett nur wegen des Rickrollings war, aber es hat den Song sicherlich wieder in das Bewusstsein einiger Menschen zurückgebracht.
Wahrscheinlich vor allem bei den jüngeren Menschen.
Genau das ist das Seltsame daran. Wir spielen manchmal Festivals, bei denen vielleicht die Foo Fighters Headliner sind und ich bin irgendwo in der Mitte, aber die meisten Kids im Publikum wissen trotzdem, wer ich bin. Vielleicht einige auf eine ironische Art, aber sie wissen es. Das ist bizarr.
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Foto: Rankin