Stefan Raab mischt wieder bei der Suche nach dem deutschen ESC-Act mit. Schon jetzt umgibt das Vorhaben eine unangenehme Nostalgie – obwohl die Zusammenarbeit mit dem NDR auch Chancen birgt.
Alles noch mal so wie damals: Stefan Raab ist wieder mittendrin in der ESC-Welt. Vor 15 Jahren war er der Mastermind hinter dem Triumph von Lena, jetzt holte ihn die ARD ins Boot, um gemeinsam nach dem deutschen Act für den Eurovision Song Contest 2025 in Basel zu suchen. Oder hat sich eher Raab die ARD ins Boot geholt? Diesen Eindruck wird man in diesen Tagen nicht los. Denn obwohl die Federführung weiterhin beim NDR und somit wie üblich in öffentlich-rechtlicher Hand liegt, dreht sich doch fast alles um den Showbiz-Rückkehrer.
Da wäre der Titel des Vorentscheids: „Chefsache ESC 2025 – Wer singt für Deutschland?“ – großspuriger und Raab-zentrierter geht es wohl kaum. Der unangenehme Personenkult, mit dem sich der Moderator bereits bei seinem Comeback-Boxkampf gegen Regina Halmich vor einigen Wochen inszeniert hat, wird weiter durchgezogen. Dabei waren die Quoten der neuen Sendung auf RTL+ schnell gesunken – und wirklich Neues hatte der inzwischen 58-Jährige auch nicht zu bieten.
Spärliche Informationspolitik
Auch das Konzept der Suche nach dem Act für Basel wirkt alles andere als innovativ: Drei Shows auf RTL soll es geben, das Finale findet dann in der ARD statt. Nichts, was man so nicht schon gesehen hätte – früher hat Raab lediglich bei seinem damaligen Sender ProSieben gewirkt.
Und auch die Informationspolitik, die traditionell noch nie eine Stärke der deutschen ESC-Beteiligten war, scheint weiter zu leiden. Für die erste Meldung zur Kooperation mit Raab wechselte man ARD-intern einfach den Presse-Verteiler, Nachricht und Einladung zur Pressekonferenz kamen so gar nicht bei allen ESC-Journalist*innen an. Apropos PK: Diese war nur für die anwesenden Pressemenschen zu verfolgen – keine Teilnahme per Videocall für alle, die nicht kurzfristig in Berlin auftauchen konnten und kein Stream für die interessierte Öffentlichkeit. Vor Ort herrschte gar Foto- und Video-Verbot. Was es stattdessen gab: Spärliche Zitat-Häppchen auf den Kanälen von RTL und ARD und die vorab formulierte Pressemeldung für alle.
Immerhin: Die Euphorie rund um das Raab-Comeback beim ESC scheint durchaus gegeben – betrachtet man die Kommentare, die seit der Verkündung auf den offiziellen Plattformen gepostet werden. Ohnehin war der Ruf nach Raab eine Konstante in den vergangenen Jahren, vor allem nach schlechtem Abschneiden der deutschen Kandidat*innen.
Hoffnung auf den Hype
Und tatsächlich war der Moderator und Entertainer in den Jahren, in denen er die Eurovision-Auswahl in seine Hand genommen hat, sehr erfolgreich – ob selbst als Teilnehmer oder schließlich als (Mit-)Ausrichter der Sänger*innen-Suche. Ob das in einer ESC-Welt, die sich inzwischen deutlich weitergedreht hat, noch mal funktioniert, ist aber mit einem Fragezeichen zu versehen. Auch wenn Raabs Eurovision-Enthusiasmus dem grundsätzlich eher reservierteren NDR mit Sicherheit guttun kann.
Eine Hoffnung: Dass der Hype um den Vorentscheid 2025 spannende Acts dazu bewegt, sich zu bewerben – bis Ende November können sie das tun. In den vergangenen Jahren war die Qualität der Kandidat*innen, die sich den Vorentscheiden gestellt haben, durchaus überschaubar. Ein neuer Schwung kann da auf keinen Fall schaden. Und: Das Konzept, das Publikum über mehrere Shows anzufüttern, sorgt fast zwangsweise für eine größere Identifikation mit dem späteren Act – zumal auch das Finale endlich an einem Samstag um 20.15 Uhr im Hauptprogramm stattfinden soll, nachdem es jahrelang auf anderen Sendeplätzen versteckt wurde.
Erste nötige Veränderung bereits versäumt
„Sollten wir nur Zweiter werden, können Sie mich danach gerne abstrafen“, hat Raab laut eurovision.de auf der Pressekonferenz gesagt. Ja, ein bisschen mehr Zutrauen in die Vertreter*innen des Landes ist angebracht. Aber neben dem Siegeswillen dürfte auch gerne betont werden, was der ESC vor allem ist: Ein großes Fest der Musik, bei dem nahezu jede*r einen oder mehrere Songs (egal aus welchem Land) findet, die direkt auf die Lieblingslieder-Playlist wandern, sowie eine bunte Party rund um die europäische Idee. Um im Bild von Hobby-Boxer Raab zu bleiben: Es geht nicht darum, den Gegner K.o. zu schlagen, sondern schlicht nach Punkten zu gewinnen. Wer am Ende den Sieg davonträgt, hängt ohnehin auch immer vom aktuellen Zeitgeist ab (siehe Ukraine 2022) – und auch ein Stefan Raab kann nicht in jedem Jahr eine Lena zutage fördern.
Eine Veränderung haben die Verantwortlichen aber schon jetzt versäumt: Auch 2025 soll wieder Barbara Schöneberger den Vorentscheid moderieren. In der ARD hat die 50-Jährige mit Sicherheit ihre Berechtigung, im ESC-Vorentscheid fällt sie allerdings seit Jahren durch unnagenehme Ironie und schlechte Show-Einlagen rund um den Eurovision auf. Ausgerechnet diese Position wurde in Zusammenarbeit mit Raab, der übrigens beim ESC 2011 in Düsseldorf selbst als Moderator tätig war, nicht neu besetzt. Eine von am Ende vielen verpassten Chancen rund um Deutschland und den Eurovision Song Contest? Die in den letzten Jahren nicht gerade verwöhnten Fans haben auf jeden Fall erst mal neue (nostalgische) Hoffnung geschöpft.
Foto: ARD/Raab Entertainment/Willi Weber