Am Samstag sind die Proben und Pressekonferenzen beim Eurovision Song Contest 2022 in Turin gestartet. Wir fassen den ersten Tag zusammen.
Im Vergleich zu 2021 in Rotterdam gab es in diesem Jahr eine entscheidende Änderung: Die Presse wurde von der ersten Proben-Runde ausgeschlossen. Während akkreditierte Medien wie bleistiftrocker.de also im vergangenen Jahr noch die ersten Gehversuche der Acts auf der große ESC-Bühne per Stream verfolgen durften, bekommen wir dieses Mal erst ab Mittwoch bewegte Bilder aus der Halle zu sehen, wenn die zweite Runde der Proben startet.
Und so gab es für die Presse am Samstag nur ein kleines und nicht besonders aussagekräftiges TikTok-Video pro Act sowie Fotogalerien, hinzu kamen die Medienrunden.
Ronela Hajati (Albanien)
Ihre neue (Bühnen-)Haarfarbe, nämlich pink, hatte Ronela Hajati bereits vorab auf Instagram angekündigt. Auf den Fotos der Probe ihres Songs „Sekret“, mit dem sie das erste Halbfinale eröffnen wird, hatte sie insgesamt vier halbnackte Tänzer dabei – ESC-Klischees lassen grüßen.
„Ich mag meine Performances nicht. Ich denke immer, dass ich es besser kann. Ich versuche, perfekt zu sein, und erreiche es nie“, sagte sie anschließend auf der Pressekonferenz – und gab noch eines ihrer Geheimnisse preis: „Ich mag es nicht, wenn Menschen mich weinen sehen. Aber ich weine sehr viel. Ich bin sehr sensibel.“
Citi Zeni (Lettland)
Farbenfroh setzten sich Citi Zeni in Szene – wie erwartet, könnte man sagen. Denn bereits beim lettischen Vorentscheid waren sie sehr bunt zu ihrem funkigen Song „Eat Your Salad“ über die Bühne gewirbelt. Das wird man von ihnen nun offenbar auch in Turin erwarten können. Zudem nehmen sie uns in ihren sozialen Medien mit – in diesem Fall runter von der Bühne, denn unmittelbar nach der Probe gab es sie live auf ihrem Instagram-Account zu sehen.
„Es hat sich richtig angefühlt. Es hätte stressig sein sollen, aber wir haben es einfach genossen“, beschrieb Sänger Janis Petersons im Anschluss das erste Kennenlernen mit der großen ESC-Bühne. Allerdings habe die Band die Sicherheitsanweisung bekommen, dass Stagediving verboten sei. Derweil wurde passend zum Song mit einem Band-Mythos aufgeräumt: „Wir sind alle Vegetarier, aber niemand von uns ist Veganer.“
Monika Liu (Litauen)
Wenn man sich die Video-Schnipsel und die Fotos so anschaut, dürfte uns Monika Liu nicht mehr großartig überraschen. Die Sängerin trug in den ersten Proben ihr Kleid aus dem litauischen Vorentscheid und auch die Inszenierung ihres Songs „Sentimentai“ wies große Ähnlichkeiten mit dem bereits Gesehenen auf.
Dass es für sie trotzdem ein ganz spezieller Moment war, erzählte Monika Liu im Anschluss der Presse. Sie beschrieb das wundervolle Gefühl, zwischen den Takes auf der riesigen Bühne zu stehen und sich umzuschauen. Bei den zum Teil seltsamen Fragen der akkreditierten Medien zeigte sie sich schlagfertig – selbst, als es um ihre Frisur ging: „Manche Menschen sagen, dass ich wie ein Mikrofon aussehe.“ Außerdem bekräftigte sie ihre Unterstützung für den ukrainischen Act Kalush Orchestra, die sie schon in Amsterdam im Interview mit bleistiftrocker.de betont hatte. „Wenn sie es unter diesen Umständen singen, geht es mir direkt ins Herz“, sagte sie über den Song „Stefania“.
Marius Bear (Schweiz)
Groß war die Spannung bei Marius Bear aus der Schweiz: Dadurch, dass die Eidgenossen ihn intern ausgewählt hatten, gab es keinen Vorentscheids-Auftritt, der Orientierung hätte geben können. Der Sänger stand ganz in schwarz auf der Bühne. Während er bei sonstigen Auftritten gerne mal barfuß zu sehen ist, wird er beim Eurovision Song Contest 2022 Schuhe tragen, wie wir nun wissen.
„Es ist so aufregend hier zu sein nach zwei Monaten Vorbereitung“, teilte er im Anschluss der Presse, die virtuell dabei war und schriftlich Fragen einreichen konnte, mit. Seinen Song „Boys Do Cry“ möchte er selbst übrigens nicht als Ballade verstanden wissen. „Es ist ein intimer Song, der direkt in dein Wohnzimmer kommt.“
LPS (Slowenien)
Wie macht sich die Nachwuchsband LPS auf der riesengroßen Eurovision-Bühne? Einer Antwort auf diese Frage sind wir zumindest ein Stückchen näher gekommen. Denn ihre Inszenierung scheint von ihrem Auftritt beim slowenischen Vorentscheid abzuweichen. Passend zum Songtitel „Disko“ gibt es eine riesige Discokugel. Drummer Gasper Hlupic muss sogar die Leiter nehmen, um an seinen Arbeitsplatz zu kommen, denn er soll samt Instrument über jener Discokugel thronen.
„Wir kombinieren viele verschiedene Genres“, erzählte Sänger Filip Vidusin später in der Presserunde. Gefragt nach Favoriten aus der slowenischen ESC-Geschichte hatte die Band besonderen Spaß, als Bassistin Zala Velensek unter anderem mit „Zala & Gasper“, dem Act von 2019, antwortete. „Wir haben ja auch Zala und Gasper in der Band.“
Kalush Orchestra (Ukraine)
Sie stehen bei diesem ESC besonders im Blickpunkt: Kalush Orchestra aus der Ukraine. Die Band wollte trotz den schrecklichen Krieges in ihrem Heimatland am Eurovision Song Contest 2022 teilnehmen und versteht sich als Botschafter. Sie hat dazu die offizielle Genehmigung bekommen, die Ukraine für den ESC verlassen zu dürfen. In den Kostümen fiel vor allem das Fransen-Gewand zweier Bandmitglieder auf, das – Zufall oder nicht? – in den Farben der deutschen Flagge angerichtet war. Den charakteristischen pinken Hut von Bandleader und Rapper Oleh Psiuk kennen wir dagegen schon vom ukrainischen Vorentscheid.
Im Anschluss gab es natürlich auch mit Kalush Orchestra eine Pressekonferenz. Die wichtigsten Aussagen haben wir hier zusammengefasst.
Intelligent Music Project (Bulgarien)
Was wäre der Eurovision Song Contest ohne Pyrotechnik? Beim Intelligent Music Project aus Bulgarien war dann auch endlich Feuer zu sehen, das offenbar ihre kraftvolle Rocknummer „Intention“ standesgemäß in Szene setzen soll. Bühnenerfahrung haben die Bandmitglieder jedenfalls allesamt genug.
Einer sticht aus dem Line-Up besonders hervor: Drummer Stoyan Yankoulov, der bereits zum dritten Mal bei einem ESC dabei ist. „Der ESC wird immer besser und immer größer“, schilderte er seine ersten Eindrücke von Turin und kündigte augenzwinkernd an: „Beim nächsten Mal komme ich alleine, nur mit Drums.“
S10 (Niederlande)
Das Bühnenoutfit der niederländischen Sängerin S10 war kein Geheimnis mehr, als sie am Samstag ins Rampenlicht trat – schließlich hatte sie ihre schlichten schwarzen Klamotten bereits auf Instagram präsentiert. Der Rest der Inszenierung wirkt auf den ersten Blick eher dunkel und reduziert, was zum Song „De Diepte“ ja auch ideal passen würde.
Für die Zeit nach dem ESC 2022 hat S10 übrigens auch schon Pläne gemacht. „Ich will die beste Live-Künstlerin werden, die ich sein kann“, verriet sie der Presse. „Und ich werde in diesem Jahr ein Album veröffentlichen.“
Zdob si Zdub & Fratii Advahov (Moldau)
Die schlechte Nachricht vorweg: Beim Auftritt von Zdob si Zdub & Fratii Advahov steht wohl leider kein Zug auf der Bühne. Immerhin geht es während der Performance zu „Trenuletul“ sehr bunt zu, dazu ist Sänger Roman Iagupov viel in Bewegung – dieser Act strahlt eindeutig Spielfreude aus.
Und das ist natürlich Absicht, wie Iagupov später bestätigte. „Menschen brauchen die Musik und die positive Energie, es ist wie eine musikalische Therapie“, sagte er im „Meet & Greet“. Außerdem nahm er Bezug darauf, dass Zdob si Zdub bereits 2005 und 2011 beim Eurovision Song Contest dabei waren. „Ich habe in drei ESC-Dekaden teilgenommen. Für mich ist es kein Wettbewerb, es ist wie ein schönes Festival des Friedens und der Musik.“
Am Sonntag proben, ebenfalls unter Ausschluss der Öffentlichkeit: Maro (Portugal), Mia Dimsic (Kroatien), REDDI (Dänemark), LUM!X und Pia Maria (Österreich), Systur (Island), Amanda Tenfjord (Griechenland), Subwoolfer (Norwegen) und Rosa Linn (Armenien). Sie alle werden sich im Anschluss auch den Fragen der Medien im virtuellen Pressezentrum stellen.
Die erste Probe von Deutschlands ESC-Act Malik Harris findet am kommenden Donnerstag statt.
Das erste Halbfinale des Eurovision Song Contest 2022 steigt am 10. Mai, das zweite Halbfinale zwei Tage später. Am 14. Mai geht es dann im großen Finale um den Sieg.
Alle Songs des diesjährigen ESC kann man hier anhören. Alle Künstler*innen des Jahrgangs haben wir hier aufgelistet.
Weitere Informationen zum Eurovision Song Contest 2022
Homepage
Facebook
Instagram
Podcast „ESC Greenroom“
Alle Artikel auf bleistiftrocker.de
Fotos: EBU / Nathan Reinds & Andres Putting