INTERVIEW: Mads Langer

Mads Langer wird am 01. Oktober sein neues Album „Where Oceans Meet“ veröffentlichen. Wir haben uns mit dem Dänen per Zoom unterhalten.

Mads Langer

Im Interview mit Sonja Riegel von bleistiftrocker.de spricht Mads Langer unter anderem über seine Ängste, seinen Song für Christian Eriksen und seine Drive-In-Konzerte.

bleistiftrocker.de: Ich frage Künstler, die schon länger im Musikbusiness sind, immer gerne, wie aufgeregt sie bei einem neuen Album noch sind. Wie ist das bei dir?

Mads Langer: Es ist eine andere Aufregung. All meine Alben stehen für eine bestimmte Zeit in meinem Leben, über die ich Songs geschrieben habe. Das neue Album bedeutet mir gerade jetzt natürlich alles. Es zeigt mein Leben, wie es gerade ist. Wenn man als Künstler, der lange im Studio gearbeitet hat, die Dinge in die Welt entlässt, wo sie jeder hören kann, ist man sehr aufgeregt, aber auch voller Angst. Ich fühle mich komplett frei, wenn ich Musik erschaffe, aber in dem Moment, in dem sie veröffentlicht wird, denke ich daran, wie sie andere Menschen finden.

Liest du, was Fans oder auch Journalisten über deine Musik schreiben?

Ja, das tue ich. Ich versuche, mit meinen Fans in engem Kontakt zu sein. Ich versuche auch, auf meinen Social-Media-Plattformen alles zu lesen. Wenn es um Reviews geht, versuche ich, nur die guten zu lesen. Das kommt mit der Erfahrung. Ich hatte schon zehn gute Reviews und eine schlechte und am Ende war es die schlechte, die meine Stimmung beeinflusst hat. Mein Manager liest sie und schickt mir die, von denen er denkt, dass ich sie lesen sollte. Es gibt keinen Grund, warum ein Journalist, der mit meiner Musik nichts anfangen kann, die Kraft haben sollte, mir einen großen Tag zu ruinieren.

Dein neues Album heißt „Where Oceans Meet“. Ist das ein wirklicher Ort oder ein Symbol?

Der Titel kommt vom letzten Track des Albums, „Julie“. Dieser Song handelt davon, wie ich meine Frau Julie in mein Inneres einlade. Ich singe sowas wie „Lass uns in meine Dunkelheit springen und ich zeige dir alles“. Es geht darum, jemandem, der dir nahe steht, alles von dir zu zeigen. Das Bild „Let’s go to where the oceans meet“, das ich in der zweiten Strophe singe, repräsentiert diesen Ort in mir, wo das Licht die Dunkelheit, das Verlangen die Liebe und Mut die Angst trifft. Zugleich zeigt das Artwork zwei Meere, von denen ich eins pink eingefärbt habe, um klar zu machen, dass zwei verschiedene Meere aufeinander treffen. Auf diese Art repräsentiert es auch einen wirklichen Ort, ja. Und in Skagen, der nördlichsten Spitze Dänemarks, gibt es zwei Meere, die du sehen kannst, wie sie aufeinander prallen.

Du hast gerade „Licht trifft Dunkelheit“ gesagt – das beschreibt das ganze Album auch ganz gut, oder? Es gibt schwere Songs wie „Dark Clouds“, aber auch fröhlichere Stücke wie die Single „Lightning“.

Für mich ist „Lightning“ einer der Songs, die beides vermischen. Die Strophen zeigen die melancholische und nachdenkliche Seite, der Refrain Kraft und Hoffnung. Dieses Gefühl, vom Blitz getroffen zu werden, wenn man einen anderen Menschen trifft. Aber du hast es genau getroffen: Auf dem Album geht es um die Kontraste im Leben und in den Gefühlen.

Trifft dieser Kontrast denn auch auf deine Persönlichkeit zu?

Ja, auf jeden Fall. Ich hatte heute ein Gespräch mit einem guten Freund über das Album und ich habe ihm gesagt, dass ich mich mutig fühle, obwohl ich mein Leben mit Ängsten lebe. Sie sind ein großer Teil meines Lebens, aber eher existenziell. Ich habe keine Höhen- oder Platzangst, eher davor, mein Leben nicht richtig auszukosten. Was meine Ängste triggert ist das Böse, die Dunkelheit, wenn ich sehe, wie Menschen andere Menschen verletzen oder wenn ein guter Freund von mir krank wird. Oder wenn ich die Nachrichten schaue und sehe, wie der Klimawandel unsere Zukunft beeinflusst. Ja, das Album handelt von diesen Kontrasten in mir. Und heute habe ich zum ersten Mal laut ausgesprochen, dass ich mich extrem mutig fühle, obwohl die Ängste ein großer Teil meines Lebens sind.

Es ist ja auch mutig, darüber Songs zu schreiben und damit an die Öffentlichkeit zu gehen. 

Der Songwriting-Teil ist mir immer leicht gefallen. Das war immer der Platz, an dem ich Dinge in Worte fassen konnte, bei denen ich im richtigen Leben nicht wusste, wie ich darüber reden sollte. Die Schwierigkeit für mich ist also eher, den Mut zu finden, zum Beispiel mit dir darüber zu reden. Singen und Songschreiben war schon immer meine Therapie. Neu für mich ist, dass ich jetzt auch mit Menschen darüber spreche. Es ist sehr wichtig, über mentale Gesundheit zu reden. Mein Leben mag von außen glamourös aussehen, zum Beispiel auf Social Media. Aber es ist wichtig für jemanden wie mich, meine Plattform auch dafür zu nutzen, davon zu erzählen, dass mein Leben nicht perfekt ist und ich wie viele andere Menschen meine Schwierigkeiten habe. Deshalb habe ich beschlossen, mich mit diesem Album zu öffnen und darüber zu sprechen – und nicht nur Songs darüber zu schreiben.

Brauchst du denn eine bestimmte Stimmung, um einen Song schreiben zu können?

Für mich ist es interessant, über Songwriting zu sprechen. Denn die ehrliche Antwort auf deine Frage ist, dass ich nicht weiß, wie man einen Song schreibt. Ich habe in meinem Leben 700 Songs geschrieben und kann dir nicht erklären, wie ich es gemacht habe. Es gibt keine zwei Songs, bei denen der Prozess gleich war. Ich versuche einfach, jeden Tag offen zu sein für Inspirationen. Ich habe immer mein Notizbuch dabei, ich nehme immer kleine Ideen auf. Und ich versuche, jeden Tag Zeit im Studio zu verbringen. An manchen Tagen schreibe ich gar nichts, an anderen zehn Songs, die ich nie benutze. An einem anderen Tag schreibe ich drei Songs, die es auf das Album schaffen. Ich weiß aber nicht, wie ich mich dafür in die richtige Stimmung bringen kann.

Im Sommer hast du einen speziellen Song geschrieben – „For Danmark, For Livet“ für Christian Eriksen, der im EM-Spiel gegen Finnland kollabiert war und wiederbelebt werden musste. Wie kam es dazu, dass du dieses Erlebnis in Musik verarbeitet hast?

Ich kenne Christian persönlich und hatte richtig Angst, dass er von uns gegangen sein könnte. Was er für einige Zeit war, wie wir später erfahren haben. In den dänischen Medien wurde dazu aufgerufen, Briefe oder Videos für ihn einzuschicken. Und ich habe gefühlt, dass ich dazu einen Song in mir hatte. Also habe ich ihn geschrieben. Aber statt an die Medien habe ich ihn direkt an Nationaltrainer Kasper Hjulmand geschickt und gesagt, dass der Song nur für Christian und das Team ist. Und das Team hat dann entschieden, dass sie den Song publik machen wollten. Zuerst war es also nur mein persönlicher Brief an Christian, seine Familie und die Mannschaft, aber dann haben sie es mit dem Rest der Welt geteilt. Das war sehr intensiv.

Woher kennst du Christian Eriksen?

Seine Frau und Kasper Schmeichels Frau haben eine Stiftung, da habe ich schon häufig bei ihren Veranstaltungen gespielt. Ich habe Christian auch schon in London besucht und für Tottenham spielen sehen, als er noch dort war. Er ist sehr musikinteressiert. Ich weiß nicht, ob er singen kann, aber ich weiß, dass er den Rhythmus im Blut hat.

Zu Beginn der Corona-Zeit warst du der wohl erste Künstler, der bei Drive-In-Konzerten vor Autos gespielt hat. Wie kamst du auf diese Idee?

Ich hatte gerade meine Deutschland-Tour gestartet, als alles geschlossen wurde. Ich war auf dem Weg nach Hamburg, als ich den Anruf bekam, dass ich umdrehen müsse. Ich hatte mich monatelang auf die Tour vorbereitet und war zu Beginn wirklich traurig, dass ich nicht zeigen konnte, was ich vorbereitet hatte. Aber dann habe ich eine Liste mit Dingen gemacht, die ich tun könnte, zu denen ich vorher lange nicht die Möglichkeit hatte. Ich habe meinen SUV verkauft und mir ein Wohnmobil geholt, bin übers Land gefahren und habe Songs geschrieben. Davon hatte ich immer geträumt. Und ich habe aufgeschrieben, dass ich ein Konzert spielen wollte, das anders ist als das, was ich bisher gemacht hatte. Es war aber gar nicht so einfach, ein neues Format zu finden. Ich habe dann aber Drive-In-Kinos gesehen. Und ich dachte mir: Warum kein Drive-In-Konzert? Und ich hatte keine Ahnung, dass ich der erste war. Aber es war toll, es hat sich schnell auf der ganzen Welt ausgebreitet und ich habe mit den großen Medien wie New York Times, BBC und Billboard sprechen dürfen. Das war ein großer Spaß.

Du hast vor einiger Zeit ein Bild gepostet, das dich zwischen sehr vielen Gitarren zeigt. Wie viele Gitarren besitzt du?

Es müssten ungefähr 35 sein. Es ist eine Sammlung von tollen Gitarren, aber auch Erinnerungen. Mir hat mal jemand gesagt, dass man nie eine Gitarre verkaufen sollte. Es sind also nicht 35 super teure Gitarren. Meine allererste habe ich als Kind bekommen, die spiele ich natürlich nicht mehr, aber ich möchte sie behalten. Für mich haben alle meine Gitarren ihren eigenen Vibe und ihre eigene Energie.

Auf deinen sozial Medien ist außerdem zu sehen, dass du gerade Vater geworden bist. Wie hat dich das verändert?

Es ändert ganz sicher die Perspektive. Es sind erst wenige Monate, aber auf einmal ist etwas viel wichtiger als alles andere. Wenn du ein Kind hast, ist es ein anderes Gefühl, so eine Art Liebe kannte ich vorher nicht. Und es ist eine Verantwortung, ein Kind in diese Welt voller Herausforderungen zu setzen. Mir ist klar geworden, dass ich ein gutes Vorbild für meine Tochter sein möchte.

 

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