Am Samstag steigt in Malmö das große Finale des Eurovision Song Contest 2024. Die Lage ist aus mehreren Gründen angespannt.
Eine Nachricht wühlte am Freitag die ESC-Welt auf: Der niederländische Sänger Joost Klein wurde von den Proben ausgeschlossen. Bei der Flaggenparade des ersten Durchlaufs, bei der die Presse in der Halle anwesend war, erschien er noch auf der Bühne. Kurz darauf war von ihm dann aber nichts mehr zu sehen, auf Startnummer vier folgte Startnummer sechs und Joosts „Europapa“ kam nicht zur Aufführung. Am Samstagmittag vermeldete die EBU ihre Entscheidung: Der Sänger wird im ESC-Finale nicht dabei sein.
Zuvor hatte es zahlreiche Spekulationen gegeben. Die EBU hatte zunächst nur von einem „Vorfall“ gesprochen und ihn nicht näher beschrieben. Eine für den frühen Freitagabend mit den Big-Five-Ländern und Gastgeber Schweden angesetzte Pressekonferenz wurde kurzfristig abgesagt. Offizielle Begründung: Die Acts möchten sich auf die Proben konzentrieren. Die Entscheidungsträger hüllten sich in Schweigen.
„Vorfall“ mit weiblichem Crewmitglied
Am Samstag dann die etwas ausführlichere Meldung: Ein weibliches Crewmitglied der Produktion habe einen „Vorfall“ nach der Performance von Joost Klein im Halbfinale am Donnerstag gemeldet, hieß es. „Während das Verfahren läuft, wäre es für ihn nicht angemessen, weiter am Wettbewerb teilzunehmen“, so die EBU. Zugleich trat sie Spekulationen entgegen, wonach andere Acts oder Delegationen verwickelt gewesen seien.
In der zweiten Durchlaufprobe am Freitagabend, auf dessen Grundlage die Jurys ihre Punkte abgeben, war noch Joosts Auftritt aus dem Halbfinale eingespielt worden. Wegen der laufenden Ermittlungen war auch das „Rest of the world“-Voting noch nicht wie geplant gestartet worden. Eigentlich hätte ab der vergangenen Nacht aus den Ländern, die nicht am Contest teilnehmen, bereits abgestimmt werden können. Wer das allerdings versuchte, bekam eine Notiz, dass der Votingstart verschoben sei. Die Abstimmung dürfte nun allerdings zeitnah anlaufen.
Auch ansonsten wird der ESC von Störgeräuschen begleitet. An vielen Stellen wird gegen die Teilnahme Israels demonstriert, bereits in der ersten Proben-Woche hingen in der Stadt zahlreiche Anti-Israel-Plakate. Innerhalb des Teilnehmendenfeldes wird die Anwesenheit der israelischen Delegation dabei durchaus auch kritisch betrachtet. Der irische Act Bambie Thug äußerte sich in Postings mehrfach deutlich – die Symbole für „Free Palestine“ und „Ceasefire“ auf der Bühne wurden allerdings von der EBU verboten.
In der Pressekonferenz der zehn Halbfinal-Qualifikanten am Donnerstag bekam Eden Golan, die für Israel mit „Hurricane“ antritt, von einem polnischen Journalisten die Frage gestellt, ob die Anwesenheit Israels die anderen Acts und das Publikum einer Gefahr aussetze. Auf die Intervention des Moderators, dass sie die Frage nicht beantworten müsse, zischte Joost Klein von der Seite: „Why not?“
Der deutsche Vertreter Isaak äußerte sich bei einer Medienrunde am Donnerstag übrigens deutlich entspannter zu der Frage, ob er Israel lieber ausgeschlossen sehen würde: „Dann würden wir den Sinn des Eurovision Song Contest verfehlen“, sagte er und verwies auf das Motto „United By Music“.
Israel steigt in den Favoritenkreis auf
Zu den Verwerfungen innerhalb der ESC-Bubble gesellen sich die Diskussionen und Spekulationen, die sich online breitmachen. Ein Video, das tausende Protestierende „vor dem Hotelzimmer von Eden Golan“ zeigen soll, wurde auf Twitter millionenfach angeschaut. Allerdings stammt es vom Stortorget in der Innenstadt von Malmö, einem zentralen Platz, der gerne für Demonstrationen genutzt wird. Nach Informationen von bleistiftrocker.de ist die israelische Delegation woanders untergebracht und an jenem Ort durch eine große Polizeipräsenz abgesichert. Auch an der Arena, die etwas außerhalb im Südwesten der Stadt liegt, sind die Sicherheitsvorkehrungen extrem hoch.
All diese Aufmerksamkeit sorgt übrigens dafür, dass Israel inzwischen in den Kreis der Favoriten aufgestiegen ist und den ESC am Samstagabend sogar gewinnen könnte. Die stark gesungene Ballade „Hurricane“ ist zwar eigentlich kein Siegermaterial, aber nun ein heißer Kandidat auf sehr viele Punkte im Televoting. Ob die Jurys, deren Abstimmung später namentlich nachvollzogen werden kann, da mitziehen, ist allerdings sehr fraglich.
Bei den Buchmachern liegt weiterhin Kroatien vorne – demnach hat Baby Lasagna mit „Rim Tim Tagi Dim“ die besten Chancen auf den Sieg. Der Sänger, der bei Interview-Terminen und auf den wenigen Partys in Malmö eher unmotiviert herumschlurfte, legt auf der Bühne eine kraftvolle Show hin, die an Käärijä aus dem vergangenen Jahr erinnert. Auch bei ihm wird es darauf ankommen, ob auch die Jurys auf ihn setzen – Televoting-Punkte dürften ihm sicher sein.
Isaak: Hoffnung auf die Jurys
Ebenfalls im Rennen ist Nemo aus der Schweiz mit einer artistischen Performance, die Nemo nicht davon abhält, in einem schwierig zu singenden Song jeden Ton perfekt zu treffen. Außerdem Kandidatinnen für ganz vorne: Jerry Heil & Alyona Alyona aus der Ukraine (trotz des undankbaren Startplatz zwei) und Angelina Mango aus Italien. Auch das gesanglich sehr dick aufgetragene französische Lied dürfte seine Fans finden, ebenso die intensive Grusel-Performance aus Irland.
Der deutsche Vertreter Isaak gilt mit „Always On The Run“ dagegen als Außenseiter. Seine starke gesangliche Leistung, die er auch im Juryfinale am Freitagabend wieder abgerufen hat, dürfte ihm durchaus Punkte der Expert*innen einbringen. Ob im Televoting dann noch viele hinzukommen, ist allerdings fraglich. Auch Kaleen aus Österreich und Tali aus Luxemburg dürften mit den vorderen Plätzen nichts zu tun haben.
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Foto: Sonja Riegel / bleistiftrocker.de