Tag drei in Turin: Auf der Bühne des Eurovision Song Contest 2022 ging es mit den Proben weiter. Hier sind unsere Beobachtungen vom Montag.
Nachdem am Samstag und Sonntag die Acts des ersten Halbfinals zunächst ihre ersten Gehversuche auf der großen Bühne gemacht und sich anschließend der Presse gestellt haben, waren am Montag die ersten Künstler*innen aus dem zweiten Halbfinale dran.
Auch hier blieb es für die akkreditierten Medien wie bleistiftrocker.de bei Eindrücken durch Fotos und den Auftritten in den Presserunden. Kurze Videoschnipsel der ersten Proben sind auf dem offiziellen TikTok-Kanal des Eurovision Song Contest einsehbar, allerdings nicht allzu aufschlussreich. Übrigens: Einer Information aus dem Pressezentrum zufolge wird es Video-Ausschnitte der zweiten Proberunden wie in den vergangenen Jahren auf YouTube zu sehen geben.
Diese Acts waren am Montag im Pala Alpitour in Turin zu sehen:
The Rasmus (Finnland)
Der größte Name des diesjährigen Contests eröffnete den Reigen: The Rasmus hatten ihr gelb-schwarzes Bühnenbild vom Vorentscheid nach Turin mitgebracht. Auch die Tatsache, dass Sänger Lauri erst in einem dicken Mantel und dann oberkörperfrei zu sehen ist, dürfte UMK-Zuschauer*innen bekannt vorkommen.
„In vielen Ländern, die hier dabei sind, hatten wir einen Nummer-Eins-Hit. Mal sehen, ob das eine Auswirkung auf den ESC hat“, sagte Lauri anschließend auf der Pressekonferenz mit Blick auf „In The Shadows“ aus dem Jahr 2003. Außerdem verrieten The Rasmus, welche Songs aus dem aktuellen ESC-Jahrgang sie besonders mögen: „Space Man“ von Sam Ryder (Großbritannien), „Die Together“ von Amanda Georgiadi Tenfjord (Griechenland) und „Hold Me Closer“ von Cornelia Jakobs (Schweden).
Michael Ben David (Israel)
Die erste gute Nachricht bei Michael Ben David: Er und die israelische Delegation sind in Turin angekommen. Wegen eines Streiks im Außenministerium hatte seine Reise nach Italien zwischenzeitlich auf der Kippe gestanden. Am Montag präsentierte er sich dann in seiner Probe ganz in weiß und mit mehreren Tänzern.
Danach machte er die Pressekonferenz zu seiner ganz eigenen Show, in der er völlig aufgedreht war und am Ende sogar die Moderation selbst in die Hand nahm. Aber auch nachdenkliche Töne gab es von ihm zu hören. „Vor sechs Monaten war ich noch Kassierer im Supermarkt“, berichtete er.
Konstrakta (Serbien)
Händewaschen nicht vergessen! Konstrakta aus Serbien macht es ganz offensichtlich wie im Vorentscheid und wäscht sich auf der Bühne minutenlang intensiv die Hände. Ihre Mitstreiter*innen brachte sie im Anschluss sogar in die Presserunde mit, sprechen durften sie aber nicht.
Dafür verriet die Sängerin, dass die in ihrem Songtext erwähnte Meghan Markle selbst nicht wirklich wichtig ist. „Sie steht nur für die vielen Menschen in den Medien, auf die wir uns fokussieren.“ Auch zu Corona habe ihr Track „In Corpore Sano“ keine wirkliche Verbindung.
Nadir Rustamli (Aserbaidschan)
Nadir Rustamli ist einer der Acts, von dem vorab nur ein Musikvideo, aber kein durchchoreografierter Auftritt bekannt waren. Er hat in Turin eine Art Tribüne aufgebaut und einen Tänzer dabei, um seinen Song „Fade To Black“ zu illustrieren, wie wir nun wissen.
In der Presserunde musste sich der 22-Jährige Übersetzungshilfe aus seiner Delegation holen, um die Fragen zu beantworten. Dafür hatte er eine englische Message auf seinem Shirt mitgebracht – darauf war „Shut up!“ zu lesen. „Ich versuche, nicht viel zu sprechen, um meine Stimme zu schonen“, erklärte er dazu. In Turin dabei ist übrigens auch Eldar Gasimov, der den ESC 2011 zusammen mit seiner Duett-Partnerin Nigar Camal gewonnen hatte und Nadir Rustamli bei „The Voice“ kennengelernt hat.
Circus Mircus (Georgien)
Der Zirkus ist in der Stadt! Circus Mircus aus Georgien legen eine bunte und zum Teil maskierte Show hin. Fotos lassen ein freakiges Bühnenbild, ungewöhnliche Instrumente und einen sehr interessanten Bart erwarten.
Auch bei der Pressekonferenz kamen die vier Bandmitglieder mit unterschiedlichen Gesichtsmasken. „Es ist egal, wer du bist. Identität ist überbewertet. Deshalb haben wir unsere Gesichter bedeckt“, so Igor von Lichtenstein – der passenderweise sicher in Wahrheit einen anderen Namen trägt. Angesprochen auf die ebenfalls maskierten Subwoolfer aus Norwegen haben sich Circus Mircus übrigens eine gespielt wütende Reaktion überlegt: „Wir waren zuerst da!“
Emma Muscat (Malta)
Bei Emma Muscat kennen wir zwar einen Vorentscheids-Auftritt, er ist aber in keinster Weise maßgeblich: Die Sängerin hat danach nämlich ihren Song gewechselt. Nun ist es „I Am What I Am“ mit einem goldenen Bühnenbild, einem übergroßen Piano sowie Tänzer*innen, die Emma Muscat einrahmen.
„Ich war sehr ängstlich am Anfang, aber dann war ich in meinem Element“, so ihr Eindruck von den Proben. Die 22-Jährige, die ihren Songwechsel übrigens neulich im Interview mit bleistiftrocker.de erklärt hatte, hat bereits Pläne für die Zeit nach dem ESC: Bald wird sie ein neues Album veröffentlichen, zudem ist ihr großer Traum eine Teilnahme am italienischen Sanremo-Festival. Und dann gab es noch einen sehr erstaunlichen Fakt: Dass Emma Muscat nach eigener Aussage den Gloria-Gaynor-Song „I Am What I Am“ noch nie gehört hat.
Achille Lauro (San Marino)
Eine richtig wilde Show können wir wohl von Achille Lauro erwarten: Der Italiener, der es schon mehrfach beim Sanremo-Festival versucht hat und beim Eurovision Song Contest 2022 für San Marino startet, hatte gleich mehrere spannende Features mit zur ersten Probe gebracht. Es gab Käfige, einen knallroten Bullen wie auf der Kirmes und sehr viel Pyrotechnik. Man darf sehr gespannt auf die bewegten Bilder sein.
Angesprochen auf seine Ähnlichkeit zu den Vorjahressiegern schien Achille Lauro dann nicht allzu erfreut. „Natürlich kenne ich Maneskin, aber ich denke, dass mein Style anders und einzigartig ist“, sagte er in der Pressekonferenz, in der er seine Antworten auf Italienisch gab und übersetzen ließ. „Wir machen diese Art der Performances seit vielen Jahren in Italien.“ Seinen Song „Stripper“ bezeichnete er als „Manifest für die Freiheit“.
Sheldon Riley (Australien)
„Niemand sollte diesen Song drei Mal singen müssen“, sagte Sheldon Riley strahlend in der Kamera der offiziellen ESC-Kanäle, als er nach der Probe von der Bühne kam. Damit spielte er sicherlich auf seine spezielle Performance an, die bereits im australischen Vorentscheid sehr kraftvoll und emotional war. In Turin steht der Sänger in einem weißen und sehr langen Dress auf der Bühne, seine charakteristische Maske ist allerdings geblieben.
Von diesen Masken besitzt Sheldon Riley insgesamt 16, wie er später den Medien verriet. Auch Details zu seinem Song „Not The Same“ teilte er mit den virtuell anwesenden Journalist*innen: „Ich habe den Song mit 15 geschrieben, es war einfach ein Empowerment für mich selbst.“ Ihn selbst habe der Auftritt von Conchita Wurst beim ESC 2014 in Kopenhagen sehr geprägt.
Andromache (Zypern)
Als letzter von neun Acts stand Zypern am Montagabend auf der Bühne in Turin. Andromache hat Tänzerinnen dabei, mediterrane Farben dominieren – viel mehr kann man aus den spärlichen Eindrücken noch nicht herauslesen.
Dafür berichtete Andromache danach von ihren deutschen Wurzeln. „Ich kann Deutsch sprechen, weil ich dort geboren und aufgewachsen bin.“ Sie zog schließlich nach Athen und studierte dort Germanistik, schloss das Studium nach eigener Aussage aber nicht ab, weil ihr das Singen wichtiger war. Mal sehen, ob für ihren Auftritt dennoch Punkte aus Deutschland drin sind.
Am morgigen Dienstag wird dann das zweite Halbfinale komplettiert, wenn erstmals Brooke (Irland), Andrea (Nordmazedonien), Stefan (Estland), WRS (Rumänien), Ochman (Polen), Vladana (Montenegro), Jérémie Makiese (Belgien), Cornelia Jakobs (Schweden) und We Are Domi (Tschechien) auf der Bühne stehen.
Am Mittwoch beginnt für die Halbfinalisten bereits die zweite Probenrunde, bei der dann auch die Presse virtuell zusehen darf. Der deutsche ESC-Starter Malik Harris („Rockstars“) probt am Donnerstag und Samstag und ist jeweils im Anschluss in den Medienrunden zu sehen.
Das erste Halbfinale des Eurovision Song Contest 2022 steigt am 10. Mai, das zweite Halbfinale zwei Tage später. Am 14. Mai geht es dann im großen Finale um den Sieg.
Alle Songs des diesjährigen ESC kann man hier anhören. Alle Künstler*innen des Jahrgangs haben wir hier aufgelistet.
Noch ein Hinweis in eigener Sache: bleistiftrocker.de hat dem ukrainischen ESC-Act Kalush Orchestra einige Fragen per Mail gestellt und ausführliche Antworten von Bandleader Oleh Psiuk bekommen. Das Interview mit den Favoriten auf den Sieg in Turin gibt es hier.
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Fotos: EBU / Nathan Reinds