ALBUM-REVIEW: Placebo – Never Let Me Go

Nach der Jubiläums-Werkschau gibt es wieder wirklich neue Musik: Placebo veröffentlichen ihr neues Album „Never Let Me Go“.

Placebo

„Aus der Pandemie heraus blicken sie auf eine Landschaft der Intoleranz, der Spaltung, der technischen Übersättigung und der drohenden Öko-Katastrophe“, sagt uns der Pressetext zu „Never Let Me Go“. Alles Themen, die seit dem letzten Album „Loud Like Love“ 2013 erst so richtig aufgekommen sind und perfekt in Placebo-Dystopie passen könnten – wenn „perfekt“ hier denn überhaupt das richtige Wort ist.

So makaber es klingt, aber die Band nimmt diesen düsteren Schwung dankbar auf und verarbeitet ihn zu Tracks, die auch nach über 25 Jahren, in denen Brian Molko und Stefan Olsdal nun schon zusammen Musik machen, glänzen können. Das ist, besonders nach einer absolvierten ersten „Greatest Hits“-Tour, alles andere als selbstverständlich.

Traurige Realität und bittere Ironie

„Surrounded By Spies“ ist so ein Song, der unter die Haut geht und der immer irgendwo zwischen trauriger Realität und Verfolgungswahn pendelt. „Try Better Next Time“, ebenfalls schon als Single veröffentlicht, ist in seiner Aussage zunächst banal. Allerdings liegt auch eine bittere Ironie darin, weil es für einige Dinge eben kein „nächstes Mal“ geben wird.

Während die beiden angesprochenen Tracks musikalisch solide sind, stechen andere da mehr hervor. Das fängt schon mit dem Rumpel-Intro des Openers „Forever Chemicals“ an, für das Molko nach eigener Aussage auf seinem iPad einen Drum-Beat und eine Harfe übereinander legte und all dem noch eine ordentliche Verzerrung samt Hall verpasste. Diese neuen, unkonventionellen Herangehensweisen lassen aufhorchen und tun Placebo auf ihrem neuen Album insgesamt doch sehr gut.

„The Prodigal“ arbeitet mit Streichern, „Went Missing“ mit Sprechgesang – um zwei weitere Beispiele zu nennen, die man Placebo nicht sofort zugerechnet hätte. Natürlich gibt es auch noch genügend typische Momente, etwa wenn „Happy Birthday In The Sky“ mit einem Gewitter aus E-Gitarren endet.

Brian Molko klaut bei Doctor Who

Ein weiteres Stilmittel, das sehr häufig genutzt wird, ist die Wiederholung. Molko hämmert seine Sätze damit regelrecht in die Köpfe der Zuhörenden. „A hug is just another way of hiding your face“ („Hugz“) ist so eine fast hypnotische Zeile, der der Sänger selbst aber ein bisschen den Zauber klaut, wenn er im Pressetext berichtet, sie aus Doctor Who entlehnt zu haben.

„Go fix yourself instead of someone else“ ist die Catchphrase, mit der „Never Let Me Go“ schließlich endet. Bei sich selbst anfangen, das ist sicherlich kein schlechter Ratschlag, auch wenn die Welt gerade ein sehr schlechter Ort ist. Der düstere Soundtrack dazu kommt nun eindeutig von Placebo – ein sehr gutes Album!

 

Albuminfos Placebo – Never Let Me Go

Placebo - Never Let Me GoKünstler: Placebo
Albumname: Never Let Me Go
VÖ: 25.03.2022
Label: SO Recordings
placeboworld.co.uk

 

Fotos: Mads Perch und Promo

 

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