BUCH-REVIEW: Samu Haber – Forever Yours

Ein Gastbeitrag von Astrid Listner

Vor fast genau einem Jahr war Schluss: Samu Haber verkündet das Aus der finnischen Rockband Sunrise Avenue. Nun veröffentlicht der Frontmann seine Biografie mit dem Titel „Forever yours“ und erobert damit mal so eben die oberen Plätze in den Bestseller-Listen.

Samu Haber

Es geht um schmutzige Geschäfte, harte Jungs, viel Geld, Angstzustände, Panikattacken und viel, was sonst, Rock ’n‘ Roll. Diese Mischung verspricht eine spannende und abwechslungsreiche Lektüre – und enttäuscht, trotz ein paar Schwächen, nicht.

Sunrise Avenues Präsenz in Deutschland hat eigentlich Samu Habers Gesicht. Ein „Kumpel von nebenan“-Typ, der Kommerz-geeignete Pop-Rock-Musik schreibt, eine Rampensau mit Saubermann-Image, von der Presse oft als der „Lieblingsfinne der Deutschen“ vermarktet – und einer, der in Deutschland auf dem Gipfel seiner Beliebtheit steht.

Der Zeitpunkt der Buchveröffentlichung wäre eigentlich perfekt gewesen: In einem Nicht-Corona-Jahr wäre die Abschiedstournee, geplant für den Sommer 2020, beendet, Sunrise Avenue somit Geschichte und die Jubiläumsstaffel von „The Voice of Germany“ zum Erscheinen der Biografie gestartet. Es wäre das Resümee einer Rockband-Ära gewesen. Aber genauso unrund, wie das Noch-Nicht-Ende nun den Abschied verzögert, ist der Werdegang von Haber selbst.

In seinem Buch spricht der Musiker offen über die Höhen und Tiefen seines Lebens. Aufgewachsen als ein verängstigter und nicht sehr selbstbewusster Junge, der nach der Trennung seiner Eltern den Halt im Sport sucht, ihn aber nicht findet, versucht er rastlos, seine Erfüllung in der Musik zu finden. Aber auch das funktioniert zunächst nicht. Die Phase des Heranwachsens zu einem Mann erfolgt, der ohne Qualifikation sehr schnell sehr viel vom Leben erwartet und glaubt, Erfolg stehe ihm wie selbstverständlich zu. Besonders die 20er Jahre von Habers Leben lesen sich wie ein Wirtschaftskrimi.

Die Ereignisse zeichnen das Bild eines Menschen, der immer wieder vor Wendepunkten seines Lebens steht, immer einen Schritt davon entfernt, seinen Lebensweg in die falsche Richtung zu lenken und immer wieder, wer weiß wie, haarscharf die Kurve kriegt. Haber hat in seinem Leben richtig Mist gebaut und dabei Menschen betrogen und geschadet. Es geht um dunkle Geschäfte, harte Jungs und viel Geld. Zu viel Geld für einen nach Anerkennung hungernden jungen Mann, der sich mit seinem Lebensstil dummerweise immer die Option Knast offenhält. Fast nicht zu glauben, dass ein Typ, der aktuell eher als Schwiegermamas Liebling durch die Medien zieht, seine Musikkarriere auch mit Hilfe von echt bösen Jungs auf den Weg brachte.

Auch die Härte des Musikbusinesses, das die körperliche und seelische Verfassung des Künstlers oft einfach ignoriert und darüber hinwegwalzt, findet in Habers Beschreibung seinen Platz. Die Täler, durch die er schreitet, Panik- und Angstattacken, Selbstzweifel und eine zerstörerische Leere sind beim Lesen fast körperlich spürbar. Aber es gibt auch die andere Seite Habers: Ein seinem Ego alles andere unterordnender, fast schon skrupelloser Macher, der mit sich und den anderen für das gesetzte Ziel, die Umsetzung des (wie er ihn selbst nennt) „World Domination Plan“, hart verfährt. Fair, aber hart. Habers Biografie ist in diesem Bezug brutal ehrlich.

Was verblüfft, ist, dass bis Mitte 20 die Musik in seinem Leben zwar irgendwie da ist, aber nicht die zentrale oder auch heilende Rolle spielt, die viele Rockmusiker gerne in ihren Biografien kolportieren. Man darf nicht vergessen, Haber ist 30, als Sunrise Avenue die ersten Erfolge feiert – schon damals fast zu alt, um eine Musikkarriere zu starten. Und einer, der Anfang seiner 20er Jahre auf dem besten Wege war, sein Leben so richtig zu verbocken.

Weggefährten von früher und heute, die den Sichtweisen Habers auch deutlich widersprechen, sind erfrischend für die Lektüre. Manchmal geht der rote Faden verloren, aber bei der Brisanz der Inhalte ist das wohl verständlich, fragt man sich doch: Ist er wahnsinnig mutig oder doch einfach nur leichtsinnig, all dies in einer Biografie mit dem Rest der Welt zu teilen? Jedoch: Zu 100 Prozent scheint Haber nicht gelernt zu haben. Im Frühjahr 2020 gesteht Haber auf seinem Instagram-Account, dass er unter Verdacht eines Drogendelikts stehe – auch das findet in seiner Biografie Platz.

Aber dennoch: Bei all dem Mist, den er verzapft hat, bleibt beim Lesen der Gedanke: „Mensch, üble Dinge sind da gelaufen… aber eigentlich doch ein ganz netter Typ.“ Haber steht zu seinen Dummheiten und beschreibt seine Schwäche teils gnadenlos. Das lässt ihn nahbar erscheinen – frei nach dem Motto: „Was wäre ‚Rock music‘ schon ohne ein Leben voll Rock ‘n‘ Roll?“

Der Vollständigkeit halber sei erwähnt, dass Haber die Biografie gemeinsam mit dem Journalisten Toumas Nyholm verfasst hat. Über ihn ist in Deutschland nur bekannt, dass er neben einer Biografie des finnischen Eishockeyspielers Jarkko Ruutu drei Romane veröffentlicht hat.

 

Buchinfos Samu Haber – Forever Yours

Samu Haber - Forever YoursAutor: Samu Haber
Buchtitel: Forever Yours
Seitenanzahl: 400
ISBN: 978-3-7423-1570-0
Preis: 24,99 Euro
VÖ: Oktober 2020

 

 

Fotos: Janita Autio und Promo

 

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