ALBUM-REVIEW: Lana Del Rey – Norman Fucking Rockwell

Ein Gastbeitrag von Volker Dohr

„Wenn die Welt im Krieg ist, wird sie tanzen“, schrieb der Mensch, der nun auch diese Rezension tippt, vor etwas mehr zwei Jahren über „Lust For Life“, das fünfte Studioalbum von Lana Del Rey. Für den Nachfolger gilt das bestenfalls noch teilweise – denn es wird am Ende eben doch alles politisch.

Lana del Rey

„Norman Fucking Rockwell“ besticht mit einem ungewöhnlich hässlichen Cover, mag man auf den ersten Blick meinen. Statt einem Porträt der Sängerin, das direkt aus einem Bildband über ein imaginäres, goldenes Kalifornien vergangener Tage entnommen sein könnte, wirkt alles comic-artiger, poppiger. Farbenfroh wie ein Gemälde von Norman Rockwell eben, dem zu Lebzeiten geschmähten Illustrator, der im Gegensatz zu Zeitgenossen ein freundliches Bild der USA zeichnete.

Schaut man jedoch näher hin, sieht man Wunderland im Hintergrund in Flammen stehen. Nein, hier ist nichts in Ordnung. Mit Jack Antonoff, der sich bislang als Produzent von eher zugänglicheren Künstlerinnen wie Taylor Swift hervorgetan hat, entwirft Lana del Rey 14 Songs lang ein düsteres und musikalisch erfreulich heruntergebrochenes Gegenkonzept zur Shiny-happy-people-Version anderer Mega-Acts.

Da kommt der Dichter, der zwar im Bett eine Granate ist, ansonsten aber nichts taugt, ebenso vor wie der eigene Alkoholismus und toxische Beziehungen – und das alles aus einer persönlicheren Perspektive erzählt denn zuvor. Zur musikalischen Untermalung wird konsequenterweise auch nicht mehr die volle Bandbreite aufgefahren. Im Gegenteil, meist genügen Klavier und dezent eingesetzte Streicher, irgendwo weit weg noch ein wenig Drumming.

Elektronisch-verspielte Elemente sucht man nahezu vergebens, Rap-Einlagen sind gleich mal gar keine an Bord. Es ist alles ein wenig reduzierter und im Hintergrund. Gelegentlich derartig ruhig und dezent, dass man sich beinahe fragt, ob der Frau vielleicht am Ende doch alles egal ist. Die wunderbare Interpretation des Sublime-Songs „Doin Time“, die vom Original so absolut gar nichts mehr erkennen lässt, wäre zumindest ein Argument für diese Theorie.

Was bleibt? Die Sehnsucht, die alle Vorgänger durchzog, ist auch auf „Norman Fucking Rockwell“ noch hörbar. Es wäre so schön, dieses perfekte Kalifornien aus dem Bildband, an einem Sommerabend am Beach, mit einem VW Bulli im Hintergrund und einem Lagerfeuer, dem Gefühl von Freiheit, der Illusion, dass all das für immer sein könnte, dass es nichts weiter gäbe als das Hier und das Jetzt. Doch Wunderland brennt, das gegenwärtige Amerika ist alles andere als ein Ort zum Träumen.

Die romantisch verklärte Version der USA, die fünf Alben lang gehegt und gepflegt wurde, kollabiert. Und Lana del Rey letztlich mit. „L.A. is in flames, it’s getting hot / Kanye West is blond and gone“ bilanziert sie in „The Greatest“ ernüchtert. „My bartender, hold me all night“ in „Bartender“.

Man möchte nicht nur ihr, sondern uns allen wünschen, dass es vielleicht doch noch einmal so wird, wie Norman (Fucking) Rockwell es gemalt hat. Auch wenn Elizabeth Woolridge Grant uns beinahe mit einer anderen Botschaft entlässt: „Hope Is A Dangerous Thing For A Woman Like Me To Have“, ohne Frage der schönste Titel der Platte endet dann aber doch mit einem leise dahingehauchten „But I still have it“. Es ist noch nicht alles verloren.

 

Albuminfos Lana Del Rey – Norman Fucking Rockwell

Lana Del Rey - Norman Fucking RockwellKünstler: Lana Del Rey
Albumname: Norman Fucking Rockwell
VÖ: 30.08.2019
Label: Polydor Records
lanadelrey.com

 

Fotos: Universal Music

 

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