ALBUM-REVIEW: Madrugada – Industrial Silence [Deluxe Edition]

Mit Debütalben ist das ja immer so eine Sache. Zehn Jahre danach kann das Erstlingswerk einer Band schon mal peinlich sein oder – bei allzu gefeierten CDs – überholt und abgenudelt. Und dann gibt es einige wenige, die alles überstrahlen. „Industrial Silence“ von Madrugada ist so eins. Im Jahr 2000 veröffentlichten die Norweger, damals zu viert und seit einigen Jahren gemeinsam unterwegs, ihr Debüt, das sie sofort auf die Nummer eins katapultierte und ihnen den Ruf einbracht, der beste Rockexport ihres Landes zu sein.

Madrugada - Industrial SilenceIn den folgenden Jahren konnten Sänger Sivert Höyem, Gitarrist Robert Buras und Bassist Frode Jacobsen (Drummer Jon Lauvland Pettersen verließ die Band 2002) diesen Ruf festigen und ausbauen. Als sie gerade dabei waren, im Jahr 2007 mit ihrem fünften, selbstbetitelten Album an den kraftvoll-melodischen Rock anzuknüpfen, mit dem sie zu Beginn des Jahrtausends gestartet waren, starb Gitarrist Robert Buras. Madrugada stellten das Album fertig, tourten ausgiebig – und lösten sich schließlich auf.

Während Sivert Höyem als Solokünstler unterwegs ist, gibt es nun eine Neuauflage von „Industrial Silence“. Darin enthalten ist das komplette Album (digital remastered) sowie eine zweite CD mit Demos, B-Seiten und unveröffentlichten Songs aus der Zeit der Aufnahmen zum Album. Diese Bonussongs komplettieren das Bild der jungen, aufstrebenden Band, die sich in einem Studio unweit von Schweden eingefunden hatte, um mit 40 Songs im Gepäck ein großartiges Album aufzunehmen. Stücke wie die Ballade „The Riverbed“ oder das unglaublich energische „Highway 2.000.000“ wären auf dem Hauptalbum mit Sicherheit auch gut aufgehoben gewesen.

Demo- und Alternativversionen wie die merklich zurückhaltende von „Strange Colour Blue“oder „Shine“ zeigen zudem den Entstehungsprozess späterer Hits. Dazu enthält das Booklet ausführliche Infos über die Bandgeschichte sowie erstmals auch alle Songtexte von „Industrial Silence“.

Wer das eigentliche Album noch nicht kennt, hat bislang verpasst, wie Madrugada „Sirens“ oder „Salt“ zu perfekten Rocksongs aufbauen, auf „Strange Colour Blue“ oder „Terraplane“ düstere Stimmung verbreiten, Gitarrist Robert auf „Belladonna“ alles aus e- und a-moll herausholt und Sänger Sivert allen Songs mit seiner Baritonstimme eine mysteriöse Tiefe verleiht. Die neue Deluxe Edition ist nun ein guter Moment, um das alles für sich zu entdecken.

Kleiner Wehrmutstropfen: Obwohl Madrugada noch einiges an unveröffentlichtem Material in der Schublade haben, sind bislang keine weiteren Deluxe Editions der anderen Alben geplant. Aber vielleicht ändert sich das ja noch. Es wäre ein würdiger Nachlass für eine großartige Band.

Trackliste:

CD 1:
01. Vocal
02. Beautyproof
03. Shine
04. Higher
05. Sirens
06. Strange Colour Blue
07. This Old House
08. Electric
09. Salt
10. Belladonna
11. Norwegian Hammerworks Corp.
12. Quite Emotional
13. Terraplane

CD 2:
01. Wheelchair
02. Move
03. Sweet Simone
04. Strange Colour Blue (Alternativ Version)
05. Highway 2.000.000
06. Oceanliner
07. The Riverbed
08. Tonight I Have No Words For You
09. 1990
10. I’m Life’s Wonderful Way Of Letting You Down
11. Bill Skins Fifth
12. Mother Of Earth
13. Legends And Bones (From „The Shit City Sessions“)
14. Step Into My Mirror (From „The Shit City Sessions“)
15. Hush Sleep Tonight (1996 Demo)
16. Shine (1996 Demo)
17. I’m In Love With You
18. This Must Be The Song That Will Pay My Bills (Demo)

Label: EMI
VÖ: 27.08.10
Format: Doppel-CD
Bewertung: 6/6

(Im Original erschienen bei triggerfish.de am 27. August 2010.)