INTERVIEW: Matija

Vor drei Jahren haben Matija ihr Debüt veröffentlicht, in dieser Woche folgt Album Nummer zwei. Wir haben Frontmann Matt Kovac einige Fragen dazu gestellt.

Matija

Im Interview mit bleistiftrocker.de spricht der Sänger unter anderem über das neue Album „byebyeskiesofyesterday“, den deutlich veränderten Sound der Band und die Auftritte unter Corona-Bedingungen.

bleistiftrocker.de: In einigen Tagen erscheint euer zweites Album. Bist du genauso aufgeregt wie bei Album Nummer eins?

Matt Kovac: Es ist ein bisschen weniger. Aber die Aufregung ist trotzdem groß. Wir sind sehr gespannt, was mit der Platte passieren wird.

Bei eurem Debüt wart ihr noch zu viert, inzwischen seid ihr auf ein Trio geschrumpft. Was ist passiert?

Unser Backgroundsänger Johann hat sich vor anderthalb Jahren entschieden, dass für ihn das Leben des Musikers gerade nicht so das Richtige ist. Er wollte sich erst mal auf die Finalisierung seines Studiums konzentrieren und Musik vor allem für sich selbst machen. Das Tourleben, die Autofahrerei und diese Dinge waren am Ende ein bisschen zu viel für ihn und wir haben ihm einfach irgendwann dazu geraten, eine Entscheidung zu treffen, die ihn glücklich macht. Und die hat er getroffen.

Du bist der Namensgeber, Frontmann und Songschreiber von Matija. Seid ihr trotzdem eine demokratische Band?

Absolut. Wir sind komplett basisdemokratisch. Matija ist mein Vorname, das war nicht meine Idee, sondern ein Vorschlag von anderen aus der Band. Es stimmt auch nicht, dass ich den Großteil aller Songs schreibe. Ich schreibe schon manche Songs alleine, aber die meisten schreiben wir alle zusammen.

Seid ihr an das neue Album „byebyeskiesofyesterday“ ähnlich rangegangen wie an euer Debüt?

Nein, ganz anders. Das erste haben wir innerhalb von anderthalb Wochen aufgenommen. Natürlich hatten wir schon lange davor daran gearbeitet, aber der Aufnahmeprozess war kurz und live eingespielt. Das neue Album ist step by step eingespielt, auch an ganz unterschiedlichen Orten. Manche Sachen sind in Italien aufgenommen, andere in Deutschland. Finalisiert wurde es dann hier in München im Studio.

Liegt es daran, dass der Sound deutlich ausgetüftelter klingt als noch vor drei Jahren?

Ja, auf jeden Fall. Es ist elektronischer, es gibt wesentlich ausgechecktere Synthesizer- und Klavier-Sounds. Wir haben viel mit Sounddesign gearbeitet und gespielt und uns Zeit genommen, für jeden einzelnen Akkord die ideale Klanglösung zu finden. Das ist auf jeden Fall was, wovon das Album profitiert, auch wenn es nicht die Live-Energie hat, die unser erstes Album gut repräsentiert.

Ihr hattet auf dem Debüt schon ein paar melancholische Songs, auf „byebyeskiesofyesterday“ sind sie aber nun deutlich in der Überzahl.

Auf jeden Fall. Das Album verarbeitet viel und hat viele melancholische Gesichtszüge. „byebyeskiesofyesterday“ bedeutet, sich von der Vergangenheit zu verabschieden mit einem weinenden Auge, vielleicht aber auch mit einem lachenden Auge in eine Ungewissheit zu schauen. Es ist für uns auch ein Schritt zum Erwachsenwerden. Es spielen viele persönliche und emotionale Komponenten eine Rolle. Wir sind alle nicht so die happy boys, sondern nachdenkliche Menschen. Das kommt auf diesem Album sehr gut zur Geltung.

Was genau verarbeitet das Album denn?

(denkt lange nach) Das Album verarbeitet, wie wir uns als Menschen über die letzten Jahren von der Entstehung des Albums bis jetzt verändert haben und was uns beeinflusst hat. Gute sowie schlechte Dinge, die uns als Band und Individuen widerfahren und passiert sind. Zwischenmenschliche Beziehungen, die gekommen und gegangen sind. Erfahrungen, die man gesammelt hat. Und Kraft, die man generiert hat, um jetzt noch wesentlich weiter zu gehen.

Warum sind Albumtitel und Songtitel alle jeweils in einem Wort geschrieben?

Ich habe den Albumtitel gefunden, er ist mir sozusagen vom Himmel in den Kopf gefallen. Ich stand auf einer Brücke im Nymphenburger Schlosspark in München, habe in den Himmel geguckt und plötzlich war dieser Titel da. Ich habe ihn einfach in die Notiz-App meines Handys geschrieben und weil ich so begeistert war, habe ich einfach alle Leerzeichen ausgelassen und habe dann später vorgeschlagen, der Kontinuität halber auch alle Titel zusammenzuschreiben, als Konzept.

Ihr habt schon viele Singles vorab veröffentlicht. Sind Alben denn überhaupt noch zeitgemäß?

Alben sind nicht mehr zeitgemäß, natürlich nicht. Wir leben im Streaming-Zeitalter. Die Musik, die wir machen, ist aber halt kein deutscher Trap, sondern Musik, für die es Abnehmer für physische Produkte wie Schallplatten mit einem geilen Design oder so gibt. Insofern sind Alben schon immer noch wichtig, alleine um sie auf Vinyl pressen zu können und sie händisch zu besitzen.

Ihr seid im vergangenen Jahr beim Reeperbahn Festival aufgetreten im prall gefüllten Sommersalon und wart auch in diesem Jahr dabei – unter Pandemie-Bedingungen. Wie fällt euer Vergleich aus?

Es war anders in diesem Jahr. Nicht zwingend schlechter, einfach nur anders. Das Reeperbahn Festival, und davor ziehen wir wirklich unseren Hut, hat ein unglaublich detailliertes Sicherheitskonzept entwickelt, um ein pandemiegerechtes Festival in der Größe durchführen zu können. Und das haben sie auch geschafft. Das Reeperbahn Festival ist eines der wichtigsten kulturellen Pfeiler in der Indie/Alternative-Szene in Deutschland. Ich fand es toll, dass es geklappt hat. Es ist immer wunderbar, dort zu sein und dort zu spielen. Klar war es ein bisschen anstrengend, man musste sich ständig mit QR-Codes ein- und ausloggen. Alles war richtig toll organisiert, aber es war natürlich nicht das Festival-Feeling, dass man mit irgendwelchen anderen Bands aus anderen Ländern chillt, raucht und trinkt oder mit den Fans quatscht. Aber alleine die Tatsache, dass es in dieser schwierigen Zeit, in der wir uns jetzt befinden, stattgefunden hat, relativiert das für mich alles und ich freue mich einfach, dass wir dort waren.

Ihr habt in der letzten Zeit noch weitere Konzerte gespielt. Wie liefen sie ab?

Gut. Wir hatten ein fantastisches Konzert in Ulm mit Bestuhlung und Sicherheitsabstand. Wir sind jetzt auch so langsam ein bisschen drin in diesen Konzerten auf Abstand. Man musste es lernen, unser Live-Konzept basiert natürlich darauf, dass Menschen dicht gedrängt aneinander stehen, tanzen und schreien. Als Corona kam und die Konzerte sich veränderten, mussten wir neu lernen und natürlich waren die ersten Konzerte nicht so toll. Wir dachten: ‚Fuck, hier tanzt keiner und wir dürfen die Leute nicht singen oder eine Wall of death machen lassen.‘ Das war schwer. Wenn man vor Autos oder Kameras gespielt hat, hat man sich natürlich gefragt, wo eigentlich die Bestätigung ist, die man als Musiker auch braucht, um sich nach einem Konzert gut zu fühlen. Und mit der Zeit wurde das immer besser. In Ulm hat es seinen Höhepunkt gefunden, da sind wir von der Bühne gegangen und haben uns gesagt: ‚Krass, das war ja fast wie ein ganz normales Konzert.‘

Und was erwartet ihr von der Clubtour, die ihr mittlerweile auf Anfang 2021 geschoben habt?

Jegliche Aussage dazu wäre aus der Luft gegriffen. Deshalb sage ich nichts dazu, außer dass ich einfach hoffe, dass sie stattfindet – ich bete zu Gott. Wir haben sie dreimal verschoben und wir sind nicht so bekannt, dass wir es uns leisten könnten, mit einer erheblich reduzierten Zuschauerzahl zu performen. Wir spielen in kleinen Clubs und wenn so ein Club komplett voll ist, dann gehen wir mit einem kleinen Plus raus. Wenn die Auflagen so bleiben, wie sie jetzt sind, dann kann es auch sein, dass wir noch mal verschieben müssen.

Wie habt ihr das Frühjahr mit den Corona-Einschränkungen verbracht?

Das Album war noch nicht komplett fertig. Wir haben es komplettiert, als nach dem Lockdown gelockert wurde und man sich wieder zu viert oder zu fünft treffen durfte. Da waren wir im Studio, haben uns dort verbarrikadiert und das Album fertig gemacht. Es war eine gute Zeit dafür, wir konnten eh nichts anderes machen. Da hat uns Corona in die Karten gespielt, weil wir es so schneller fertig machen konnten.

Ihr habt den Titel eures Debüts als Frage formuliert – „Are We An Electric Generation Falling Apart?“. Kannst du diese Frage denn inzwischen beantworten?

Die sozialen Netzwerke sind omnipräsent, ich glaube da sind wir uns auch alle einig. Meine Antwort darauf ist immer noch die gleiche wie damals, als wir das Album rausgebracht haben: Dass man darüber nicht urteilen kann. Die Frage soll nur zum Nachdenken anregen. Es soll den Menschen einfach nur Bewusstsein verschaffen, dass wir in einer Welt leben, in der alles sehr digitalisiert ist. Wir müssen aufpassen, dass wir uns am Ende des Tages immer noch dran erinnern, dass wir Menschen sind und dass wir gewisse Werte nicht verlieren dürfen. Das ist eine Sache, mit der man sich konstant beschäftigen muss und die man nicht aus den Augen verlieren darf.

 

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Foto: Hieronymus Josh

 

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