ALBUM-REVIEW: AnnenMayKantereit – 12

AnnenMayKantereit haben ein Überraschungsalbum veröffentlicht, auf dem die Coronakrise allgegenwärtig ist. Wer braucht das?

AnnenMayKantereit

„So wies war – so wird es nie wieder sein.“ Dieser Satz, immer wieder wiederholt im Track „So wies war“, zeigt die ganze Verzweiflung der Band. Im März war sie mitten aus ihrer Tour gerissen worden, als die Pandemie den Stillstand der Konzertindustrie erzwang. Nun war die Musik von AnnenMayKantereit noch nie sonderlich aufbauend, aber Corona macht sie noch mal viel düsterer.

Geschrieben haben die drei Musiker – Bassist Malte Huck ist seit diesem Jahr nicht mehr fest dabei – zunächst alle von zuhause aus. „Unser Musikmachen hat sich grundsätzlich geändert, weil wir nicht an einem Ort waren“, erzählt Sänger Henning May darüber. „Wir haben noch nie räumlich getrennt voneinander gemeinsam Musik gemacht.“

Mitte Mai konnten sie dann gemeinsam in der Eifel ihre Ideen aufnehmen und zusammenschrauben. Dabei entstand auf einmal ein gesamtes Album. Darauf zu finden sind 16 Tracks, einige von ihnen mehr Skizzen als Songs, teils mit dem iPhone oder zumindest beim spontanen Jammen oder Warmspielen im Studio aufgenommen.

„12“ ist wie ein Mahnmal aus der Coronazeit, es ist unglaublich düster und spricht das C-Wort zwischendrin sogar aus. Man merkt schnell: Diese Songs wollen gar nicht allgemeingültig oder lange haltbar sein, sondern dokumentieren richtig schwere Monate. Singles, die AnnenMayKantereit nach ihrem Album „Schlagschatten“ von 2018 veröffentlicht hatten, werden auf dem neuen Werk folgerichtig ausgespart.

Einen Mutmacher sucht man auf dem Album vergeblich. Henning May versucht, sich mit Sätzen wie „Es ist okay“ („Spätsommerregen“) zumindest ein bisschen selbst zu beruhigen, fällt aber immer wieder in die unvermeidliche Schwere zurück. „Das Gefühl“ am Ende ist sinnbildlich mit düsterem Klavier, Sprechgesang und dem Rückblick auf alte Exzesse.

„Die letzte Ballade“ ist der passende Schluss, die Band erwähnt darin auch das rechte Attentat von Hanau aus dem Februar 2020. „Vielleicht schreibe ich irgendwann über den Weltuntergang“, folgert Henning May resigniert.

Zurück zur Ausgangsfrage: Das Album zum Lockdown von AnnenMayKantereit – wer braucht das? Wenn man „12“ aufmerksam lauscht, wird einem bewusst, dass wohl vor allem die Band selbst diese Stücke gebraucht hat. Dass hoffentlich schon sehr bald niemand mehr an die Coronazeit zurückdenken will und niemand einen traurigen Song aus dem Jahr 2020 bei einem ekstatischen Festival-Auftritt mitgrölen wird, dürfte Fans und Musikern gleichermaßen bewusst sein.

 

Albuminfos AnnenMayKantereit – 12

AnnenMayKantereit - 12Künstler: AnnenMayKantereit
Albumname: 12
VÖ: 17.11.2020 (digital), 27.11.2020 (physisch)
Label: UMD / Irrsinn Tonträger
annenmaykantereit.com

 

Fotos: Martin Lamberty

 

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