INTERVIEW: Duncan Laurence

Duncan Laurence hat vor einigen Wochen sein Debüt-Album veröffentlicht. Wir haben uns ausführlich mit dem ESC-Sieger von 2019 unterhalten.

Duncan Laurence

Im Interview mit bleistiftrocker.de spricht Duncan Laurence unter anderem über sein Album „Small Town Boy“, seine Live-Auftritte und seine Freundschaft zu Ilse DeLange.

bleistiftrocker.de: Vor kurzem ist „Small Town Boy“ erschienen. Wie fühlt es sich für dich an, endlich dein Debüt-Album veröffentlicht zu haben?

Duncan Laurence: Es ist großartig, ein tolles Gefühl. Alle Reaktionen sind so positiv, es ist verrückt, wie gut es ankommt.

Bekommst du die Rückmeldung von Fans oder liest du auch Reviews in der Presse?

Natürlich interessiert es mich, was die Leute denken. Aber ich weiß, dass es nur Meinungen sind, bisher aber sehr gute. Ich lese immer gerne, was andere Menschen darüber denken, was ich so mache. Ob ich die Ratschläge dann annehme, das ist eine andere Sache.

Für Zuhörende, die sich schon länger mit dir beschäftigen, sind viele Songs fast wie alte Freunde, weil man sie schon von deiner EP „Worlds On Fire“ und als Singles kennt. Geht es dir da genauso als jemand, der lange an ihnen gearbeitet hat?

Ja, es gibt natürlich Geschichten, die ich auf meinem Album erzählen wollte. Einige davon sind – wie du es nennst – alte Freunde, was sehr schön ist, weil es nicht nur mir, sondern auch den Zuhörenden eine Orientierung bietet: ‚Oh, das kennen wir schon. Oh, und das hier ist neu.‘ Das ist sehr cool, der Kontrast ist sehr schön. Man kann die Leute überraschen, ihnen aber auch etwas geben, das sie kennen.

Hast du einen Lieblingssong auf „Small Town Boy“?

Mein Lieblingssong auf dem Album ist „Sleeping On The Phone“. Das ist der erste Track, den ich mit meinem Verlobten geschrieben habe und der erste, den ich selbst produziert habe. Und es ist eine sehr persönliche Geschichte.

In meiner Review habe ich dich „König der Balladen“ genannt. Ist es schwierig, einen fröhlichen Song zu schreiben?

Nein, es ist nicht schwierig, einen fröhlichen Song zu schreiben. Aber ich schreibe eher traurige Songs mit ein bisschen Hoffnung. Es ist gut, Trost oder Hoffnung in negativen Situationen zu finden. Aber es kommt auch darauf an, wer du bist. Ich bin eher ein melancholischer Mensch, ein nachdenklicher Typ, der eine Geschichte erzählen will. Und Balladen passen dazu am besten.

Sind Alben in der heutigen Zeit denn noch wichtig?

Ich glaube schon. Für die Industrie ist es wichtig, weil die Presse berichtet, sobald ein Album veröffentlicht wird. Es ist eine Kollektion von Songs, die dir zeigt, wer der Künstler oder die Künstlerin ist. Es ist wichtig, das zu haben. Du kannst zeigen: Das bin ich, das will ich euch sagen. Und für die Zuhörenden ist es auch eine tolle Song-Kollektion. Natürlich ist es nicht mehr üblich, dass du die CD in den Player in deinem Auto schiebst, Streaming ist jetzt deutlich populärer. Aber auch die Streaming-Plattformen sind um Alben und EPs herum aufgebaut. Wenn du einen Song veröffentlichst, ist es nur ein Song. Aber bei einem Album kannst du dich durchklicken und dich in der Welt des Künstlers oder der Künstlerin verlieren. Das ist sehr wichtig.

Bei deinen Auftritten – zum Beispiel beim Tuckerville oder dem Eurosonic-Festival – hatte man den Eindruck, dass du Songs auch mit Blick auf dein Debüt-Album ausprobiert hast. Stimmt das?

Ich hatte zu diesem Zeitpunkt zwei verschiedene Pfade. Das eine war der Live-Pfad, da ging es darum, auf der Bühne eine Geschichte zu erzählen und mit meiner Band zu performen. Und auf der anderen Seite war das Album, ich wollte neue Songs schreiben, um den Leuten zu zeigen, wer ich gerade jetzt bin. Live war es eher so, dass ich ältere Songs gespielt habe, die ich schon zuvor geschrieben hatte. Ich mag den Split zwischen beiden Sachen. Denn wenn ein Künstler oder eine Künstlerin einen Song performt, der noch nicht veröffentlicht ist, gibt dir das einen speziellen Moment, weil du ihn nur hier und jetzt in diesem Raum hören kannst. Das möchte ich beibehalten.

Wo passt deine Musik denn am besten hin, in kleine Clubs oder auf große Bühnen?

Ich trete einfach dort auf, wo ich auftreten kann – egal, ob das ein kleiner Club mit 200 Menschen oder hoffentlich eines Tages ein großes Stadion ist. Es gibt immer einen Weg, die beste Art zu finden, in einer bestimmten Umgebung aufzutreten. Egal, ob das mit Visuals oder einem kompletten Erlebnis drumherum ist. Musik sollte immer im Zentrum stehen, aber drumherum kannst du eine komplette Welt entstehen lassen, vor allem auf den größeren Bühnen. Ich möchte die Chance dazu auf jeden Fall in der Zukunft gerne bekommen und zeigen, dass ich meine Musik überall performen kann.

Eigentlich hättest du zur Album-Veröffentlichung im Ziggo Dome in Amsterdam auftreten sollen, aber Corona hat es verhindert. Wie traurig warst du darüber?

Ja, das war sehr unglücklich, mein Team und ich hatten uns sehr darauf gefreut. Aber es ist natürlich richtig, dass es abgesagt wurde, die Gesundheit geht vor. Ich habe mal gesagt ‚music first‘ – aber wenn es eine Sache gibt, die noch wichtiger als Musik ist, dann ist es Gesundheit. Und ich möchte, dass meine Fans gesund und in Sicherheit sind und ich möchte kein Risiko eingehen – das ist im Moment einfach zu groß.

Inzwischen bist du auch an der Produktion deiner Songs beteiligt. Wie kam das?

Ich wollte ein neues Betätigungsfeld haben. Durch Corona und Quarantäne hatte ich auf einmal sehr viel Zeit und wollte sie gut ausnutzen. Wenn ich jetzt einen neuen Song schreibe, kann ich ihn auch fertigstellen. Das gibt mir die Freiheit, das zu tun, was ich machen möchte. Und den Leuten zu zeigen: Guckt mal, das habe ich gemacht.

Es gibt verschiedene Arten von Eurovision-Sieger*innen: Manche machen es wie Lena und haben gar nichts mehr mit dem ESC zu tun, andere wie Mans Zelmerlöw sind noch häufig im Dunstkreis des Eurovision zu finden. Du wirst als amtierender Sieger natürlich ein Teil der Show 2021 sein – aber wie wird es danach weitergehen? Willst du ein Teil der Eurovision-Bubble bleiben?

Ich habe am Eurovision auch deshalb teilgenommen, um eine Musik-Karriere zu starten. Aber ich bin sehr stolz auf die Rolle, die ich beim ESC gespielt habe, natürlich auf den Sieg und darauf, dass ich die Musik bei so einem großen Event in den Fokus gestellt habe. Im kommenden Jahr werde ich natürlich in der Show performen. Wenn ich ansonsten noch mal was für den ESC machen würde, wäre das wahrscheinlich Songschreiben und das Suchen von Künstler*innen. Einfach Teilnehmer*innen zu entwickeln, das würde ich sehr gerne tun. Aber natürlich im Gleichgewicht mit meinen eigenen Projekten als Künstler.

Diese Beschreibung trifft auch sehr genau auf das zu, was Ilse DeLange im Vorfeld des ESC 2019 mit dir gemacht hat. Wie ist heute euer Kontakt – gibt es den gemeinsamen Dropbox-Ordner noch, in den du damals auch die erste Version von „Arcade“ hochgeladen hast?

Nein, diesen Ordner gibt es nicht mehr. Aber wir sind täglich in Kontakt und schreiben uns. Wir sind gute Freunde und verbringen viel Zeit damit, neue Songs zu schreiben.

Du kümmerst dich auch um die Planung und Umsetzung deiner Videos. Warum ist dir das wichtig?

Songs erzählen eine Geschichte, aber Visuals erzählen die Geschichte deutlicher. Für mich ist es wichtig, dass die Musik, die ich mache, in der richtigen Art bebildert wird. Und die Verbindung zwischen diesen beiden Welten bin ich. Ich kann sagen, was ich im Song fühle, was ich mit dem Text aussage und wie ich möchte, dass es dann aussieht. Deshalb mache ich meine Videos manchmal selbst – natürlich mit einem großartigen Team.

In deinen Erklärungen zu „Small Town Boy“ auf Spotify hast du gesagt, dass das Album für dich der „Start von etwas Wundervollem“ sein soll. Was sind denn deine Pläne, was ist das „Wundervolle“, das du erreichen möchtest?

Für mich wäre es wundervoll, in vielen Ländern aufzutreten, auf Tour zu gehen, wenn das wieder möglich ist. Aber auch einfach meine Musik durch die Welt reisen zu lassen, ein größeres Publikum zu erschließen und Menschen zu inspirieren. Und zugleich ausgeglichen zu sein und ein gesundes, entspanntes Leben zu leben mit den Menschen, die ich liebe.

Es ist Dezember, deshalb muss die letzte Frage lauten: Hast du einen Lieblingssong des Jahres 2020, der nicht von dir ist?

Das ist eine richtig schwere Frage. Wenn ich einen Song auswählen müsste, den ich in diesem Jahr gefunden habe, ist es „I Got So High That I Saw Jesus“ von Noah Cyrus.

 

 

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Foto: Paul Bellaart

 

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